Freiheit fuer Mama
und Mann – und manchmal sogar auf die Laternen, die noch gebastelt werden müssen.
Kleine Fluchten
Heute bin ich viel näher dran an mir. Ja, durch die kleinen Fluchten merke ich überhaupt erst, wie es mir geht. Wer immer nur durch den Tag hetzt, bekommt das doch gar nicht mehr mit. Mir ging es jedenfalls so. Ich habe früher oft Stein und Bein behauptet, dass alles im Lot sei mit mir und meinem Familienleben. Ja, ich war sogar felsenfest davon überzeugt. Doch so stimmte das nicht. Ich war oft gar nicht in der Lage, meine Situation zu reflektieren. Zu spüren, wie es mir wirklich geht. Dazu war ich viel zu platt. Das passiert mir heute nicht mehr: Wenn sich bei mir ein Gewitter zusammenbraut, dann bekomme ich es auch mit. Und reagiere darauf – und wenn ich nur »Scheiße« schreie.
Dafür muss ich allerdings ein paar Dinge auch im Alltag anders organisieren. Die Kinder sind jetzt beide morgens um acht aus dem Haus, der eine bei der Tagesmutter, der andere in der Kita. Ben, ihr Vater, hat verbindlich einen Tag übernommen, an dem er sich um alles bei uns kümmert, von der Kita-Tour über den Supermarkt bis hin zum Bettprogramm. Außerdem gibt es noch Babysitter und eine Oma, die uns helfen. Ich habe mir mehr Stunden für den Job freigeschaufelt, um wieder größere Projekte zu übernehmen. Das macht mich zufriedener, und außerdem bringen die Großaufträge mehr Geld. Mehr jedenfalls, als die neue Organisation kostet. Das ist doch auch schon was.
Typisch Räbin
Erst einmal muss ich jetzt aber eine Lanze für die Rabenmütter brechen, die echten, die schwarz gefiederten mit den Flügeln. Der Begriff »Rabenmutter« klingt ja so, als würden diese Vögel ihre Brut im Stich lassen und ihr eigenes Ding machen. Oft ist in dem Zusammenhang von Vernachlässigung oder gar Verwahrlosung der Jungvögel die Rede. Doch das ist Quatsch. In jedem beliebigen Vogelkundebuch kann man nachlesen, dass alles ganz anders ist: Rabenmütter sind sehr fürsorgliche, umsichtige und gute Mütter. Zwar sind die Vogeljungen tatsächlich sehr früh aus dem Nest. Doch sie werden nicht von der Rabenmutter hinausgeschubst, sondern hüpfen hinaus, weil sie wahnsinnig neugierig sind. Und weil sie zu diesem Zeitpunkt meistens noch viel zu jung sind, um allein zurechtzukommen, sind die Rabeneltern in ihrer Nähe, füttern sie und stehen ihnen noch monatelang bei.
Bei uns – in anderen Sprachen gibt es das Wort »Rabenmutter« übrigens gar nicht – ist eine Rabenmutter eine Mama, die arbeiten geht, obwohl das Kind erst acht Monate alt ist. Die übers Wochenende mit Freundinnen wegfährt und die Kinder dem ach so hilflosen Partner überlässt. Oder die sich mit ihrem Mann einen lustigen Abend macht, statt Laternen zu basteln oder Puppenkleider zu nähen. Kurz, sie ist das genaue Gegenteil von der Mutter, die den ganzen Tag um die Kinder herumwuselt.
So eine Rabenmutter wollen wir keinesfalls sein. Nein, wir deutschen Mamas sind eine ganz besondere Spezies. Wir springen 24 Stunden am Tag um die Kinder herum und reiben uns auf bis zum Anschlag. Wir rennen wie der Hamster im Rad und halten für die Familie die Fahne hoch. Wir kaufen alles frisch ein und kochen Bio. Wir nähen die Faschingskostüme selbst und backen Muffins. Nicht, weil wir so gern backen – dann wäre ja alles in schönster Ordnung –, sondern weil die anderen Mamas sonst sagen würden: »Hast du gesehen, Elke hat einfach einen fertigen Schokokuchen beim Bäcker gekauft?« Wir kutschieren die Kinder zur Turn-, Musik- und Englischstunde. Und wir fördern sie in Mandarin, Science und Business-Englisch, damit sie es im Leben zu etwas bringen. Am liebsten alles gleichzeitig. Und vor allem: alles selbst.
Doch das tut nicht gut, keiner Mutter und auch keinem Kind. Und der Partnerschaft schon gar nicht. Denn wer sich nur für andere aufreibt, geht kaputt, wird unausstehlich oder zickig.
Wir sollten es den Räbinnen nachmachen. Nicht umsonst gelten die Raben als die klügsten und – Achtung! – die lernfähigsten Vögel überhaupt. Sie sind intelligent und schlau, was zahlreiche Vogelforscher bewiesen haben. Und listig. So stellen sie sich gelegentlich tot und tun so, als hätten sie sich an der Beute vergiftet – damit kein anderer sie frisst. Auch wir sollten uns öfter mal tot stellen oder wegfliegen und so verhindern, dass weiter an unseren Nerven gezerrt wird oder wir kaputtgehen.
Raben bleiben sogar an befahrenen Straßen stehen, wenn die Ampel Rot zeigt. Auch da
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