Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer
der Sowjetunion eines natürlichen Todes. Mit der Perestroika und dem Ende der Sowjetunion tauchte auch der russische Nationalismus wieder auf – und mit ihm die
Protokolle.
Erstaunlich viele Intellektuelle und hohe Würdenträger der orthodoxen Kirche bis zur Ebene der Bischöfe und Metropoliten halten die
Protokolle
für authentisch, also für die Niederschrift einer tatsächlich gehaltenen Rede. Die Zeitung
Die Welt
berichtete am 16 .September 2005 , dass auf der Moskauer Buchmesse des Jahres 2005 erschreckend viele antisemitische und nationalistische Bücher ausgestellt wurden. Ein gewisser Oleg Platonow versucht in seinem Buch
Rätsel der Protokolle von Zion
deren Echtheit nachzuweisen. Selbst der Bücherstand im Foyer des russischen Parlamentsgebäudes führt Bücher wie die von der orthodoxen Kirche initiierte
Kriminelle Geschichte des Judentums ( 2005 )
oder
Der Zionismus im System des Antikommunismus ( 2003 )
.
Davon sieht man allerdings in Deutschland kaum etwas. Die hiesigen Verschwörungstheorien stammen größtenteils aus rechtsextremen Kreisen Amerikas und tauchen, angereichert um verklausulierte Entschuldigungen der Nazi-Herrschaft, vorwiegend in der rechts-esoterischen Literatur auf.
Auch die Verschwörungstheoretiker der extremen Linken bedienen sich gelegentlich der
Protokolle
.
So schrieb Mathias Bröckers am 2 .März 2002 unter dem Titel »The Kosher Conspiracy« einen Artikel im Online-Magazin
Telepolis
des Heise Verlages. Der Artikel taucht in überarbeiteter Form auch in seinem Buch
Verschwörungen, Verschwörungstheorien und die Geheimnisse des 11 . 9 .
auf. Darin breitete er die Theorie aus, dass Israels Regierung mittels Erpressung die amerikanische Regierung kontrolliert. Bröckers schreibt:
»Auf diesem Hintergrund wird auch eine Äußerung von Ariel Sharon gegenüber seinem Außenminister Peres verständlich, der ihn Anfang Oktober wegen seiner aggressiven Politik kritisiert hatte: ›Jedes Mal, wenn wir etwas tun, erzählst du mir, Amerika wird dies oder das tun … Ich will dir etwas sehr klar sagen: Mach dir keine Sorgen über den amerikanischen Druck auf Israel. Wir, die Juden, kontrollieren Amerika, und die Amerikaner wissen das.‹ Dieses von Sharons Sprecher später im Wortlaut nicht bestätigte Zitat, das in einer Radiodebatte am 3 .Oktober im Sender Kol Yisrael Radio fiel, leitet Wasser auf die klassischen Mühlen der ›jüdischen Weltverschwörung‹ und der unter Muslimen wie bei den Rechtsradikalen im Westen nach wie vor gängigen Propaganda der Protokolle der Weisen von Zion. Doch eingedenk des Hinweises von Hannah Arendt, dass Hitler letztlich zu einem ›Schüler‹ der von ihm als Propagandainstrument eingesetzten Verschwörungstheorie wurde (siehe ›Die ›Weisen von Zion‹ … ‹) können wir Sharon unterstellen, dass seine Konsequenzen aus Auschwitz darin bestehen, Hitlers rassistischen Verfolgungswahn »mehr oder weniger« unbewusst zu kopieren.«
Der Text verweist auf ein Zitat von Hannah Arendt im Abschnitt »Die Weisen von Zion« von Bröckers Buch:
»Die Nazis begannen mit einer ideologischen Fiktion einer Weltverschwörung und organisierten sich mehr oder weniger unbewusst nach dem Modell der fiktiven Geheimgesellschaft der Weisen von Zion.«
Der Journalist Tobias Jaecker hat den gesamten Text von »The Kosher Conspiracy« in seinem Buch
Antisemitische Verschwörungstheorien nach dem 11 .September
ausführlich analysiert. Hier möchte ich mich auf den Teil beschränken, der sich mit den
Protokollen
befasst. Der zentrale Punkt von Bröckers’ Argumentation, das angebliche Sharon-Zitat, ist eine Erfindung. Es stammt aus einer Pressemitteilung der Islamic Association for Palestine ( IAP ) vom 3 .Oktober 2001 . Die IAP wiederum ist eine amerikanische Gruppe, die der palästinensischen HAMAS nahesteht. Bröckers verweist aber nicht dorthin, sondern auf eine andere israelkritische Seite, die ihrerseits die Quelle ihrer Information eindeutig identifiziert ( IAP news). Bröckers zitiert den amerikanischen Text falsch und verschärfend. Im Original heißt es, das Sharon-Zitat stamme aus einer Kabinettssitzung, über die der hebräischsprachige israelische Sender Kol Yisrael berichtet habe. Mathias Bröckers schreibt stattdessen, Sharon habe die Sätze während einer Radio-Debatte, also öffentlich, ausgesprochen. Der Sender Kol Yisrael betonte gegenüber der amerikanischen Organisation CAMERA , niemals über eine solche Äußerung Sharons berichtet zu
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