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Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer

Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer

Titel: Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Grüter
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europäische Kolonisation Afrikas und Asiens kommt in den
Protokollen
nicht vor, obwohl sie für die angeblichen Weltherrschaftspläne der »Weisen von Zion« einen guten Hintergrund abgegeben hätte. Die
Protokolle
reflektieren also nicht die Sicht eines Franzosen und auch nicht die eines weltläufigen Russen in Frankreich, sondern die eines russischen Reaktionärs in Russland mit geringen Verbindungen zum Westen. Der Mann war zudem kein versierter Schriftsteller, denn den
Protokollen
fehlt jede literarische Qualität. Die Sätze wirken schwerfällig, ein Spannungsbogen oder ein Höhepunkt fehlt. Die Argumentation ist langatmig und widersprüchlich.

Weltweite Verbreitung
    Die
Protokolle
waren von Anfang an von Mythen umrankt. Das begann bereits mit der ersten nachweisbaren Veröffentlichung in der
Znamja
. Die Redaktion erklärte, dass die
Protokolle
Übersetzungen von Sitzungsmitschriften des in Frankreich ansässigen »Weltbundes der Freimaurer und Weisen von Zion« seien. Es sei nicht bekannt, wie und wo die
Protokolle
kopiert worden seien, aber man hege keinerlei Zweifel an ihrer Echtheit. Überhaupt seien die Juden wegen des neu aufgekommenen Zionismus, der berufen sei, alle Juden der Welt in einem Bund zu vereinigen, besonders gefährlich. In einem Nachwort wies der anonyme »Übersetzer« darauf hin, dass die
Protokolle
aus einem ganzen Buch von
Protokollen
herauskopiert seien. Mehr habe man in der Kürze nicht abschreiben können.
    Zwischen 1905 und 1907 veröffentlichte Georgi Butmi für den rechtsradikalen »Bund des russischen Volkes« die
Protokolle
mehrfach unter verschiedenen Titeln. Er schrieb dazu, die
Protokolle
seien »in fragmentarischer Form« aus den in Frankreich beheimateten »Geheimarchiven der Zentralkanzlei von Zion« (die es nicht gibt) entwendet worden. Wo und wann die Reden gehalten worden sein sollen, ließ er ausdrücklich im Dunkeln. 1905 erschienen
gleich dutzendweise weitere Ausgaben der
Protokolle,
jeweils mit kleineren oder größeren Abweichungen. Meist verwiesen die Herausgeber auf einen französischen Urtext. Sergej Nilus gab an, ein Freund habe ihm im Jahre 1901 das Manuskript übergeben. Der wiederum habe es von einem einflussreichen Freimaurer.
    Selbst in reaktionären Kreisen fanden die
Protokolle
bis zur Oktoberrevolution kaum Beachtung; sie gingen unter in einer riesigen Welle von nationalistischer, konspirativer und antisemitischer Schundliteratur, die damals den Markt überschwemmte. Ab 1917 schrieb Nilus die
Protokolle
dem Zionistenführer Theodor Herzl zu. Dieser habe die dort aufgezeichneten Reden insgeheim auf dem Basler Zionistenkongress von 1897 gehalten. Das war blanker Unsinn, aber es half offenbar: In den nächsten Jahren traten die
Protokolle
ihren Weg um die Welt an. Von Mai bis Oktober 1920 ließ der Industrielle und Antisemit Henry Ford in seiner eigenen Zeitung
Dearborn Independant
eine englische Übersetzung drucken, die er 1921 in dem Buch
The International Jew: The World’s Foremost Problem
zusammenfasste.
    Die ehrwürdige Londoner Times veröffentlichte am 8 .Mai 1920 unter dem Titel
The Jewish Peril
einen Artikel über die
Protokolle
. Darin zeigte sie sich beeindruckt von der »unheimlichen Anmutung von Vorauswissen« und wies darauf hin, dass sich die Vorhersagen »zum Teil bereits erfüllt« hätten. Bis Ende 1920 waren die
Protokolle
ins Englische, Französische, Deutsche, Polnische und Italienische übersetzt. Für die plötzliche Verbreitung war aber nicht nur die angebliche Autorenschaft Theodor Herzls verantwortlich. Zwischen 1905 und 1920 hatte sich die Welt vollkommen verändert: Der Erste Weltkrieg und die Russische Revolution hatten die alte Ordnung unwiderruflich aus den Angeln gehoben. Das Zarenreich existierte nicht mehr, die Zarenfamilie war ermordet, der deutsche und der österreichische Kaiser hatten abgedankt. Das mächtige habsburgische Kaiserreich war in eine Reihe von Kleinstaaten zerfallen. Mehr als acht Millionen tote Soldaten lagen auf den Schlachtfeldern in Frankreich, Russland und in den Alpen.
    Die Staaten Europas hatten sich gegenseitig zerfleischt. Für viele Europäer dieser Epoche war das ein unbegreifliches Ereignis, hielt sich Europa doch für kulturell überlegen und berufen, aller Welt die Errungenschaften der Zivilisation zu bringen. Russische Emigranten, die nach der bolschewistischen Machtergreifung geflohen waren, trugen in ihrem Gepäck die
Protokolle
in alle Länder Europas und erklärten jedem, der es

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