Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer
den eines gnadenlosen Kriegstreibers, der Millionen von Soldaten in einen sinnlosen Tod hetzte, weil er die unabwendbare Niederlage nicht einsehen wollte. Von der Weimarer Republik und der Demokratie überhaupt hielt er nicht viel. Er
bewegte sich nach dem Krieg in rechts-nationalen Kreisen, wo er hohes Ansehen genoss.
Im März 1920 beteiligte er sich am Kapp-Putsch, einem erfolg-losen Umsturzversuch von Teilen des Militärs und rechtsradikalen Politikern.
Die Republik war nicht ausreichend gefestigt, um die Putschisten zu bestrafen, und so konnten sich die meisten ins Ausland oder nach Bayern in Sicherheit bringen. Ludendorff floh nach München. Dort irrlichterte er durch die Szene der antisemitischen deutsch-völkischen Parteien. Seine aktive Rolle beim vergeblichen Putsch-Versuch der Nationalsozialisten am 8 . und 9 .November 1923 in München brachte ihn vor Gericht.
Während Hitler und weitere acht Rädelsführer zur Festungshaft verurteilt wurden, sprachen die Richter Ludendorff wegen Unzurechnungsfähigkeit zur Tatzeit frei. Das erbitterte ihn aufs Äußerste, denn er hatte vorgehabt, seine Strafe mannhaft entgegenzunehmen. Das Gericht aber degradierte ihn zur Mitleid erregenden Figur des abgehalfterten, zeitweilig umnachteten Militärs. Ludendorff war zu diesem Zeitpunkt 59 Jahre alt.
Etwa ab Mitte der zwanziger Jahre begann Ludendorff sonderbare Verschwörungstheorien zu verbreiten, in denen er Juden, Freimaurer und Jesuiten beschuldigte, sich heimlich gegen Deutschland verbündet zu haben. Die Ideen dazu stammten von seiner zweiten Frau Mathilde, einer Nervenärztin, die bereits vor ihrer Hochzeit im Jahre 1926 eine Reihe von nationalistisch-esoterischen Schriften veröffentlicht hatte. In der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre reiste das Ehepaar Ludendorff durch Deutschland und propagierte seine Heilslehren und Verschwörungstheorien in einer Vielzahl von Vorträgen.
»Immer sichtbarer traten für mich als Spaltpilze der Geschlossenheit des Volkes, aber auch als seine Beherrscher, die geheimen überstaatlichen Mächte hervor, d. h. das jüdische Volk und Rom nebst ihren Werkzeugen, den Freimaurern, dem Jesuitenorden, okkulten und satanischen Gebilden«, schrieb Ludendorff. Nicht nur
Kurt Tucholsky zweifelte damals an Ludendorffs Verstand, auch im völkischen Lager nahm man ihn nicht mehr ernst. Dennoch gingen die Auflagen der Schriften, die er und seine Frau verfassten, in die Hunderttausende. Jesuiten, Juden und Freimaurer als Feinde des deutschen Volkes: Das war offenbar Balsam für die verletzte Seele national gesinnter Deutscher.
Auch heute noch sind diese drei Gruppen bevorzugte Ziele von Verschwörungstheoretikern. Ist das Zufall oder haben sie etwas gemeinsam?
Um bei der Unzahl von Verschwörungsvorwürfen überhaupt zu einem sinnvollen Ergebnis zu kommen, muss man die Fragestellung etwas einschränken: Welche
einflussreichen
Verschwörungstheorien gegen die drei Zielgruppen hat es gegeben? Wir suchen also Verschwörungstheorien, die
von Gruppen oder Organisationen mit großer Autorität verbreitet wurden, und
Verschwörungsschriften, die eine große Verbreitung fanden, also in hoher Auflage und über längere Zeit veröffentlicht wurden.
Und wir suchen Theorien, die gravierende Folgen für die Betroffenen hatten, die also gerichtliche Untersuchungen, gesetzliche Einschränkungen, Verbote oder Pogrome in größerem Maßstab auslösten.
Vorwürfe gegen Juden
Im Mittelalter betrachtete die europäische Bevölkerung die Juden als ein fremdes, über die ganze bekannte Welt verteiltes Volk. In den meisten Regionen holten die Fürsten die ersten Juden ins Land, um den Fernhandel zu fördern. Die Juden unterstanden direkt dem Fürsten, verwalteten ihre Gemeinden selbst und genossen den Schutz des Landesherrn. Dafür mussten sie allerdings hohe Abgaben bezahlen. Das Volk kannte Juden vorher nur aus der Bibel – als
Christusmörder und Geldwechsler. Aus der Sicht der Sozialpsychologie haben die Fürsten damit eine für die Juden extrem ungünstige Situation geschaffen. Fremd, privilegiert, mit einem religiösen Stigma belastet, vom Schutz des Landesherrn abhängig – schwerer kann man es einer Gruppe kaum machen.
Aus dieser Konstellation entstand früh die Vorstellung einer jüdischen Weltverschwörung gegen die Christenheit. Bereits Thomas von Monmouth, der Chronist des frühesten überlieferten Ritualmordvorwurfs, behauptete gegen 1150 , die Führer der Juden Europas träfen sich
Weitere Kostenlose Bücher