Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer
hören wollte, dass dort bereits alles vorhergesagt wurde, was in Europa tatsächlich eingetreten war.
Stand nicht darin, dass die Juden die christlichen Völker gegeneinander hetzen, ja, einen Weltkrieg entfesseln wollten? Dass sie die Massen gegen die Regierungen führen wollten, wie in Russland tatsächlich geschehen? Waren nicht viele Bolschewiken Juden?
Juden und russische Revolution
Die Juden hatten unter dem staatlich geförderten Antisemitismus der späteren Zarenzeit (ab 1881 ) sehr gelitten. Deshalb schlossen sich viele von ihnen den Revolutionskräften an. Im russischen Bürgerkrieg nach der Oktoberrevolution ermordeten die Weißen, die Koalition der antibolschewikischen Kräfte, Tausende von Juden, so dass die Juden allen Grund hatten, auf Seiten der Bolschewiki zu bleiben. Der französische Historiker Léon Poliakov weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Balten, insbesondere Letten, eine entscheidende Rolle beim Sieg der Bolschewiki im Bürgerkrieg spielten. Davon spricht niemand mehr, während die jüdische Beteiligung immer wieder hervorgehoben wird.
In Deutschland gingen zudem die falschen Gerüchte um, dass die Juden sich am Krieg bereichert und vor den Kämpfen an der Front gedrückt hätten. In Wahrheit hatten Juden ebenso gekämpft wie alle anderen, es waren im Verhältnis ebenso viele gestorben, und es waren sogar überproportional viele Juden wegen ihrer Tapferkeit
ausgezeichnet worden. Aber die Gerüchte wollten nicht verstummen, und die Übersetzungen der
Protokolle
trugen ihren Teil zum militanter werdenden Antisemitismus bei.
Tatsächlich waren die
Protokolle
bereits sehr früh als Fälschung enttarnt worden. Bereits im Jahre 1905 hatte die russische Regierung herausgefunden, dass die
Protokolle
nicht der Wahrheit entsprachen, also kein tatsächliches Ereignis wiedergaben. Im Jahre 1921 stellte Philip Graves, der
Times
-Korrespondent in Konstantinopel fest, dass die
Protokolle
zu einem beträchtlichen Teil aus dem Buch von Maurice Joly abgeschrieben waren. Die
Times
veröffentlichte im August 1921 drei Artikel von Graves, in denen er die
Protokolle
als Plagiat entlarvte. Von da an waren die
Protokolle
in England diskreditiert und nur noch ein Thema für unverbesserliche Verschwörungstheoretiker wie beispielsweise Nesta Webster.
Anders in den USA : Die im Jahre 1921 erschienene Übersetzung erreichte in den folgenden Jahren eine Gesamtauflage von 500 000 Exemplaren. Die erste deutsche Übersetzung erreichte bis Ende des Erscheinungsjahres 1920 bereits die sechste Auflage. Herausgeber war der Antisemit Ludwig Müller, der sich mit den Pseudonymen Müller von Hausen und Gottfried zur Beek gleich zwei falsche Adelstitel zugelegt hatte (falsche Adelstitel erfreuten sich in rechtsradikalen Kreisen damals großer Beliebtheit). Der ebenfalls sehr aktive Antisemit Theodor Fritsch übersetzte im gleichen Jahr die amerikanische Version und veröffentlichte sie unter dem Titel:
Die zionistischen Protokolle. Das Programm der internationalen Geheimregierung.
Diese Version erreichte bis 1933 zwölf Auflagen. Bis Anfang der dreißiger Jahre dürften in Deutschland sicherlich mehr als einhunderttausend Exemplare der Übersetzungen in Umlauf gewesen sein. Selbst in Japan erschien eine Übersetzung, obwohl die Idee einer jüdischen Verschwörung dort völlig bedeutungslos war. Die
Protokolle
wurden stattdessen als ein Beleg einer von China ausgehenden Bedrohung interpretiert.
In Deutschland bemächtigten sich die Nationalsozialisten der
Protokolle
und bauten sie in ihre antijüdische Propaganda ein. Im
Jahre 1939 stellten sie allerdings die Verbreitung ein. War ihnen aufgefallen, dass die in den
Protokollen
vorgestellte Utopie vom totalitären Wohlfahrtsstaat einige Aspekte der nationalsozialistischen Diktatur erstaunlich genau beschrieb? Wir wissen es nicht. Es gibt keine Dokumente über die Gründe des plötzlichen Umschwenkens.
Mehrere Gerichtsprozesse bestätigten in den dreißiger Jahren den Status der
Protokolle
als Fälschung. Der berühmteste ging in der Schweiz 1934 / 1935 und 1937 durch zwei Instanzen. Ein in der ersten Instanz erlassenes Verbot der Verbreitung hob die zweite Instanz aus formalen Gründen wieder auf, doch ließen die Richter keinen Zweifel daran, dass sie die
Protokolle
für eine üble Fälschung hielten.
Die Antisemiten störte das aber nicht. In seinem Buch
Mein Kampf
schrieb Adolf Hitler im Jahre 1924 : »Sie (die
Protokolle
) sollen auf einer Fälschung
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