Freiwild
kurz vor der Abreise erkrankt und Patrick hatte seinen Job übernommen. Es war Zufall, dass er jetzt hier saß.
Das Schwarzbier tat seine Wirkung. Ich hatte den ganzen Tag nicht allzu viel gegessen und der Alkohol löste meine Schüchternheit. Noch bevor ich mein Glas ausgetrunken hatte, bekam ich bereits ein neues hingestellt. „Willst du mich betrunken machen, Patrick?“ Mit einem frechen Grinsen unterstrich ich meine Frage, um ihm anzudeuten, dass ich die Idee gar nicht so schlecht fand. „Nö....“ Das breite Grinsen strafte ihn Lügen, aber ich nahm es ihm nicht übel. Wir hatten unseren Spaß, neckten und unterhielten uns, als gäbe es niemanden anders um uns herum. Schließlich schaute er mich ernst an, seine blassen, blauen Augen tief in meinem Blick versunken. „Sag mal, Anne...“, er stockte. Scheinbar war das keine leicht zu stellende Frage, „...Hast du eigentlich einen Freund?“. Ich schaute über den Rand meines Glases, das ich an dem Mund gesetzt hatte zu ihm herüber und ließ mir Zeit beim Antworten. Ich trank betont langsam und hielt dabei Blickkontakt mit ihm. Seine Pupillen weiteten sich unmerklich und mein Herz klopfte vernehmlich. Ich antwortete mit einem langsamen, aufreizenden Augenaufschlag. „Nein. Du?“. Natürlich kam mir sofort der Gedanke an Peter zu Hause, aber genauso auch an die Schlampe Martina. Nein, ich hatte keinen Freund. Nicht mehr. Und auf dreckige Socken einsammeln, Streits über nicht runter geklappte Klobrillen und ähnlichen Firlefanz hatte ich im Augenblick wirklich keine Lust. Ich hatte keinen Freund und ich wollte auch keinen. Ich begann ja gerade erst, meine Freiheiten als Single auszukosten. „Ist das so wichtig?“, Patrick lehnte sich näher zu mir herüber und brummte mit tiefer, langsamer Stimme und beantwortete seine eigene Frage: „Nein, nicht wichtig. Nicht jetzt im Augenblick, nicht wahr?“. Seine Augen sagten dabei: 'Ich will Dich ficken. Jetzt.', und mein Herz begann wild zu klopfen. Unsere Gesichter waren keine Handbreit mehr auseinander. Ich fühlte seinen heißen Blick bis tief unter die Haut. Seine Stimme vibrierte bis in die Mitte meiner Eingeweide. Aber wollte ich das? Ich war mir nicht sicher. Ich spürte sein Verlangen deutlich und die Spannung zwischen uns war greifbar. Ich blickte ihm direkt in die Augen und wartete einen Moment, ob er den Wunsch auch aussprechen würde, aber er blieb stumm und wartete ab.
„ Ich denke, ich gehe dann mal auf mein Zimmer, der Tag war lang.“ Damit beendete ich den Blickkontakt und kramte in meiner Handtasche, um zu bezahlen. Er musste schon sagen, was er wollte. So einfach wollte ich es ihm nicht machen. Auch wenn ich genau wusste, was dieser Blick zu bedeuten hatte, ich tat absichtlich so, als hätte ich es nicht verstanden. Aber Patrick berührte sanft meinen nackten Arm mit seinen Fingerspitzen. Sie waren eiskalt und ich erschrak leicht: „Darf ich dich begleiten?“, aber ich schüttelte leicht den Kopf. „Heute nicht...“ Schüchtern lächelte ich ihn an. Das konnte für ihn Nichts und Alles bedeuten. Ein wenig musste er sich schon anstrengen; schließlich wollte ich nicht als leichte Beute abgestempelt werden. Ich ließ ihn mit einem fragenden Blick im Gesicht sitzen und ging alleine zu meinem Zimmer.
So leicht wollte ich mich nicht kriegen lassen. Ein wenig wollte ich mit dem Wolf noch spielen, bevor er mich erlegen durfte.
Ich fühlte mich geschmeichelt von Patricks Annäherungsversuchen. Er war sympathisch und vielleicht eine gute Gelegenheit, meine neu erwachten Möglichkeiten als Single auszuprobieren. Dieser Abend war auf jeden Fall Streicheleinheiten für mein Ego gewesen. Scheinbar hatte ich meine Anziehungskraft für das andere Geschlecht nicht gänzlich verloren. Peter würde schon sehen, was er mit mir aufgegeben hatte. Ich fühlte mich seit langem das erste Mal sehr sexy.
Kapitel 4
Den nächsten Tag verbrachte ich damit herauszufinden, wie die allgemeinen Regeln und Gebräuche im Camp waren. Ich lies mich mit Fanfaren wecken, frühstückte in der Mannschaftsmesse und ließ mir in der Materialausgabe eine Splitterschutzweste und einen Stahlhelm verpassen. Beides war mit dem internationalen Zeichen 'PRESS' gekennzeichnet und ich hoffte, dass ich dadurch etwas geschützter war. Journalisten sollten keine Zielscheibe sein, oder? In der Nacht hatte man aus den Bergen Schießereien hören können, die sich entfernt wie Donnergrollen angehört hatten. Der Krieg war zwar offiziell
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