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Freiwild

Freiwild

Titel: Freiwild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Belle
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vorbei, aber so ganz konnten die Rebellen doch nicht aufhören, sich zu streiten. Im Camp durfte ich mich bis auf wenige Ausnahmen frei bewegen; wollte ich jedoch vor die Tore, brauchte ich einen Fahrer und Begleiter. Es gab noch zu viele unsichere Gegenden, um alleine herumlaufen zu können.
    Den ganzen Vormittag war ich im Camp unterwegs, hatte die Kamera im Anschlag und machte Fotos. Es gab so vieles, was man fotografieren konnte. Ich war begeistert von der Zielstrebigkeit und Genauigkeit, mit der alle Befehle ausgeführt wurden. Wie in einem Ameisenhaufen hatte jeder einzelne Soldat seine Aufgabe, die er gewissenhaft auszuführen gedachte. Zwischen all dem geschäftigen Treiben lief ich herum und beobachtete mit meiner Kamera. Ich war schon immer lieber im Hintergrund und fotografierte was sich anbot, als selbst Szenen zu stellen wie ein Regisseur. So hatte ich das Gefühl, echtere und orginalgetreuere Momente festhalten zu können. Natürlich blieb meine Anwesenheit - sofern sie sich nicht sowieso schon rumgesprochen hatte - nicht unbemerkt und es gab viele junge Burschen, die sich einen Spaß daraus machen, mir im letzten Augenblick grimasseschneidend vor die Linse zu hüpfen. Es war lästig, aber damit konnte ich leben. Kinder im Portraitstudio abzulichten war nicht viel anders. Ich wusste, ich war eine Abwechslung in ihrem Alltag.
    Gegen Mittag setzte ich mich an den Rechner in meinem Zimmer und wollte einige der Aufnahmen zur Agentur mailen, doch als ich den Rechner hochgefahren hatte, lag mitten auf dem Desktop ein Textdokument mit „Zuerst lesen!“, das ich skeptisch öffnete. Vermutlich würden sich darin nur obligatorische Bedienungsanleitungen verstecken.
    Neben den Regeln und Anordnungen, die ich schon am Vormittag erhalten hatte, war auch noch die Aufforderung, alle Bilder und Texte, die von meinem Rechner ausgehen würden, erst dem Pressesprecher vorzulegen und genehmigen zu lassen. Natürlich, die US-Zensur. Bereits im Golfkrieg war bekannt geworden, dass die US-Regierung ein strenges Auge darauf hatte, was die Öffentlichkeit zu sehen bekam und was lieber nicht. Es hieß zwar nicht 'Zensur' sondern ' Kontrolle zur Wahrung der Bild- und Textqualität' aber im Prinzip war es dasselbe. Die amerikanische Bevölkerung sollte sehen, dass mit ihren Steuergeldern selbstverständlich nur Helden gemacht wurden. Alles andere wurde galant unter den Tisch gekehrt.
    Zu meinem Erstaunen stand dieses Ressort unter deutscher Leitung. Das war gut so, denn mit meinem Schulenglisch wäre es schwer geworden, Diskussionen über meine Bilder zu halten.
    Also schrieb ich meine Texte zu den Bildern, spielte alles auf einen USB-Stick und machte mich auf zum Container des Stabes, wo ich das Büro des Pressesprechers vermutete. Ich klopfte an und ein zackiges „Eintreten!“ antwortete mir.
    „ Baumann!“, entfuhr es mir unwillkürlich. An dem Schreibtisch saß, hinter einer Menge Papieren und halb hinter einem großen Monitor verborgen, Oberfeldwebel Baumann. Sofort als er erkannte, wer da in der Tür stand, grinste er: „So sieht man sich wieder!“. Insgeheim hatte ich zwar gehofft, dass er im selben Camp sei, hatte aber nicht wirklich damit gerechnet. „Schön, Sie wiederzusehen!“. Ich bekam ein so umwerfendes Grinsen vom ihm, dass mir das Blut in den Ohren rauschte. Der Mann sah aber auch gut aus!
    Neugierig fragte er: „Ich habe ja schon im Flieger gedacht Sie hätten sich verlaufen. Aber jetzt stehen Sie auch noch in meinem Büro! Was verschlägt denn eine so schöne Frau wie Sie an einen solchen Ort?“. Auch ihm erklärte ich, weshalb ich hier war, was er mit einigem Erstaunen zur Kenntnis nahm. „Das ist kein Ort für eine zarte Frau“, entfuhr es ihm. Ja, sag ruhig deutlich, dass ich hier nicht hingehöre. Meine Miene verfinsterte sich. Ich gehörte nirgends wirklich hin, da war es doch egal, wo ich mich tatsächlich befand. Ich fühlte mich überall fehl am Platz. Ich bin nun mal da, finde dich damit ab. Aber anstatt zu sagen was ich dachte, lächelte ich ihn an und fragte: „Sind Sie der Pressesprecher? Ich hätte da ein paar Bilder zum Prüfen...“, und reichte ihm meinen Stick.
    „Ja, der bin ich“, antwortete Baumann und nahm meine Bilder entgegen. Es wunderte mich, dass ausgerechnet der Pressesprecher keine Ahnung von meiner Anwesenheit hatte. Dann wandte er sich zu seinem Rechner, schob den Stick in den Anschluss und öffnete die Dateien. Es dauerte einen Moment, bis die Daten alle geladen

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