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Freiwild

Freiwild

Titel: Freiwild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Belle
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spurtete los, der Kopfhörer rutschte mir von den Ohren. Patrick zielte auf Ralfs Kopf. Wie in einem Alptraum bewegte ich mich und lief wie durch Pudding. Ich rannte und rannte, aber es fühlte sich an, als ob ich nicht vorankommen würde. Es dauerte unendlich lange, bis ich die beiden erreichte. „Patrick!“, schrie ich los, aber er beachtete mich nicht. Seine Augen glitzerten irre, seine Haare hingen ihm wild in die Stirn. Er hatte Augenringe und sah übernächtigt aus. Die beiden starrten sich an. Ich sah, wie sich Ralfs Kehlkopf bewegte. Eine Schweißperle lief von Patricks Schläfe. „Du wirst sie nicht kriegen!“ Patricks Stimme war leise und bedrohlich. Er schnaubte wuterfüllt. Es war eine Frage von Sekundenbruchteilen, bevor etwas passierte. Die Luft war geladen. Der Wind hatte aufgehört zu wehen. Man konnte keinen einzigen Vogel zwitschern hören. Totenstille. Und die Männer standen da und starrten sich an.
    „Patrick!“, schrie ich erneut, völlig verzweifelt, „Hör auf damit! Das hat doch keinen Sinn!“. Er zog einen Mundwinkel spöttisch nach oben, was sein Gesicht zur Fratze verzerrte: „Oh Anne!“. Seine Stimme war immer noch lauernd und bedrohlich. Irre. „Du hast ja keine Ahnung!“. Wirr kicherte er los. Es war ein entsetzliches Geräusch. „Wenn es ihn nicht mehr gibt, dann musst du mich nehmen!“.
    Ich musste mich beruhigen. Klar denken. Mein Gehirn musste anfangen zu arbeiten, aber ich war wie betäubt. Was ich jetzt sagen würde, konnte über Ralfs Leben entscheiden. Ich durfte einfach keinen Fehler machen!
    „Patrick“, begann ich, um Beherrschung und Ruhe bemüht, aber meine Stimme zitterte. „Wenn du ihn umbringst, dann bin ich so unglücklich, dass ich dich auch nicht haben will. Du bekommst mich nicht, nur weil du Ralf erschießt.“ Dann stellte ich mich vor Ralf und sah direkt in die Mündung der Pistole: „Wenn du ihn umbringst, will ich auch nicht mehr leben.“ Es war keine leere Drohung, es war mein bitterer Ernst. Ohne Ralf hatte das Leben für mich keinen Sinn mehr. Er war mein Ein und Alles. Patrick kicherte wieder, amüsiert über meine Worte. „Wie niedlich, das sterbende Pärchen. Richtig süß.“ Dann versuchte er, mich mit einer wedelnden Bewegung zu verscheuchen. „Anne, komm, geh da weg. Ich hab zu tun.“ Aber ich schüttelte den Kopf: „Nein! Du wirst mir nicht sagen, was ich tun soll!“
    Hinter Patrick sah ich in der Ferne, wie Micha mit einigen anderen Soldaten auf uns zukam. Ich musste Zeit gewinnen und konnte nur hoffen, dass auch Ralf die Leute bemerkt hatte. Langsam lehnte ich mich ein Stückchen zurück und berührte Ralf mit meinem Rücken. Unmerklich erwiderte er die Berührung. Ich brauchte Zeit! Wo bekam ich nur die verdammte Zeit her, bis Micha mit seinen Kameraden da war? Ich holte tief Luft. „Patrick“, ich sprach zu ihm wie zu einem kleinen Kind, „wenn du mich haben wolltest, warum hast du das nicht einfach gesagt? Es wäre doch so einfach gewesen. All deine schönen Zettel an meiner Tür, das war doch gar nicht nötig gewesen. Es tut mir so leid, dass ich das nicht bemerkt hatte. Ich Dummerchen. Kannst du mir verzeihen?“. Scheinheilig klang das und ich hörte selbst, wie verlogen meine Stimme geklungen hatte. Aber Patrick war nicht in der Lage, diesen Unterschied in meinen Worten wahrzunehmen. Er war durchgedreht und außer sich. Die Pistole in Patricks Hand zuckte kurz und mein Herz stoppte für einen Augenblick. Mutig ging ich auf ihn zu, schmiegte mich an ihn und legte meine Hand auf seine Arme. Ich drückte die Waffe langsam nach unten, damit Ralf endlich aus der Schusslinie war. Es durfte ihm einfach nichts passieren. Patrick ließ es geschehen. Um ihn in Sicherheit zu wiegen, drückte ich ihm einen kleinen Kuss auf die Backe: „Siehst du, es geht doch auch so.“ Er hatte die Pistole auf den Boden gesenkt, aber den Finger am Abzug gelassen. Die Bedrohung war weniger geworden, aber immer noch greifbar. Vorsichtig umarmte ich ihn. Das war anscheinend die richtige Taktik. Ralf stand da und rührte sich nicht. Jede Bewegung könnte ihn oder mich in Gefahr bringen. Über Patricks Schulter hinweg sah ich, wie die Soldaten sich immer näher heranschlichen. Ich redete auf Patrick ein, wie mutig er doch sei und dass ich es bewunderte, wie sehr er für mich kämpfte. Ich hoffte, dass Ralf nicht dachte, ich würde es tatsächlich so meinen. Ich fühlte seinen Blick in meinem Rücken. Wie ein unsichtbares Seil bestand eine

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