Freizeichen
find e nac h einige m Grübeln eine sehr schö n e Formulierung:
«Wi r habe n nich t vie l Zeit.»
Ich blicke dabei in den Himmel und bemühe mich um eine Stimmlage, die alles und nichts bedeuten kann. Auf keinen Fall möchte ich, dass Robin denkt, ich hätte es auf ihn abgesehen,
bevo r ic h nich t gan z siche r we i ß , o b e r e s au f mic h abgesehen hat . De r KUS S vo n gester n gib t zwa r Anlas s zu r Hoffnung , aber ic h möcht e au f Numme r siche r gehen.
Robi n dreh t sic h z u mir.
«Ma n ha t imme r s o vie l Zeit , wi e ma n sic h nimmt.»
Ich bin überhaupt nicht beleidigt. Das ist so süß. U nd rührend. Un d etwa s albern . Ic h kan n diese m Man n nicht s übe l nehmen, wei l e r mic h dara n erinnert , wi e ic h war , al s ic h jun g war . Diese Art, jeden einzelnen Moment ernst und wichtig zu nehmen. Robin erinnert mich an die Zeit, in der mich Fragen beschäftig ten wie: Soll ich Religion oder Erdkunde abwählen? Geh e ic h au f di e Dem o ode r au f di e Sonnenbank ? Wa s is t der Sinn des Lebens? Steht die Antwort darauf in «Also sprach Zarathustra» oder im «Brigitte› › - Sonderheft «Frisuren für jeden Haartyp» ? Gib t e s eine n Gott ? Sol l ic h Slip - Einlagen benutzen? Welch e Bedeutun g ha t di e Natu r i m Werk e Bertol t Brechts? Un d wi e lang e häl t ein e mi t Zuckerwasse r gefestigt e Frisur?
«Wi e al t bis t d u eigentlich?» , frag e ich.
«Woz u is t da s wichtig?»
Ich komme mir erneut wahnsinnig a l t un d oberflächlic h vor.
«Wege n Tanzen.»
Ic h bi n erleichtert , das s mi r ei n s o jugendlicher , hippe r Grund eingefalle n ist.
«Wie , wege n Tanzen?»
«Na , o b wi r dieselbe n Liede r auswendi g können . Dann könne n wi r si e jetz t zusamme n singe n un d daz u tanzen.»
Da s is t in meiner Vorstellung nämlich der Inbegriff von Romantik , un d meine s Wissen s nac h habe n auc h viele Liebesfilm e dami t gearbeitet : Tanze n a m Strand , ohn e Musik, nur begleitet von Meeresrauschen und dem leisen Summen zweier Stimmen, die dieselben Lieder ke n nen . Ic h bi n wild entschlossen , dies e Phantasie , di e ic h nu n scho n s o lang e mit
mi r rumschleppe , hie r un d jetz t z u realisieren . Mi t Be n is t mir da s leide r nich t gelungen . Wi r habe n ni e ohn e Musi k getanzt. Be n tanz t j a noc h nich t ma l mi t Musik . E r is t de r T yp , dessen C D - Sammlung zwar mehrere Meter in den Bücherregalen beansprucht , de r abe r z u Tanzfläche n eine n großen Sicherheitsabstand hält und bei dem es als Ekstase zu weiten ist, wen n e r mi t de r Fußspitz e wippt.
Robi n dagege n is t vo n meine r Ide e begeistert . E r spring t auf, mach t ei n paa r groß e Schritt e Richtun g Mee r un d ruft:
«Warte ! Las s mic h ein e Sekund e überlegen , mi r fäll t gleich wa s ein.»
E r wieg t sic h ei n weni g hi n un d her , au f de r Such e nac h einer Melodi e fü r un s beide . Ic h bi n völli g gefange n vo m Z a ube r des Augenblicks . Ic h meine , wen n ei n Man n mi t solche n Schenkeln unterm Sternenhimmel für dich singt, da bist du doch automatisc h z u alle m bereit , oder?
Ic h mus s gestehen , das s ic h noc h ni e eine n Man n kennen gelern t habe , de r fü r mic h gesunge n hat . Mä n ne r singe n i n der Rege l nicht . Dagege n is t auc h nicht s einzuwenden , im Gegenteil . Be n ha t sic h nu r ei n einzige s Ma l daz u hinreißen lassen, in meiner Gegenwart zu singen: «Steh auf, wenn du ein Schalke r bist... » Da s wa r bei m Sie g vo n Schalk e 0 4 gegen Lever k use n i m DF B - Pokalfinale . Un d nachher , al s wi r wieder nüchtern waren, ist es uns beiden peinlich gewesen, und wir habe n ni e wiede r ei n Wor t darübe r verloren.
Abe r mi t Robi n is t alle s anders . De r kan n Ding e tun , die ander e Männe r niemal s tu n würden , ohn e un m ännlic h zu wirken. Ich sehe, dass er immer noch über einem dem Anlass angemessene n Lie d brütet . Ic h bi n s o gerührt . Vielleich t wir d er wa s vo n Miste r Superromanti k Lione l Richi e intonieren:
« I sometime s se e yo u pas s outsid e m y door . Hello , i s i t me you'r e lookin g for?»
Ode r vielleich t sogar , ic h wei ß allerding s nicht , o b ic h das überstehe n würde , ohn e i n Träne n auszubrechen , «Becaus e You Love d Me » vo n Celin e Dion:
«You were my strength when I was weak, you were my voice whe n I couldn' t speak.»
De r ein e ode r andere wird sich vorstellen können, dass ich etwas enttäuscht bin, als Robin anfangt:
Weitere Kostenlose Bücher