Fremde Gäste
würde.
»Sie — Sie nahmen ihn mit? Der
schreckliche Junge war wohl wieder mal beim Trampen? Warum er das nur tut? Er
hat genug Geld, um die Fahrtkosten zu bezahlen; außerdem hat er daheim ein
ausgezeichnetes Motorrad stehen. Ich hätte ihn ja auch selbst hierherfahren
können .«
Was konnte ich da sagen? Wie
sollte ich ihr erklären, daß ihr Sohn »seine eigenen Wege gehen« wollte, was
natürlich normale Transportmittel ausschloß. »Ich weiß nicht recht«, sagte ich
schüchtern, »es war aber doch ein Glück, denn er scheint ganz in seinem Element
zu sein. Er hat bei Colonel Gerard, ein paar Kilometer von hier, einen Job
bekommen; der Colonel schätzt ihn sehr. Für David bedeutet das eine — eine
Erfahrung, Mrs. Hepburn.«
»Bestimmt ist es das !« Sie nickte unsicher. »Aber...«
Sie tat mir leid, sie war so
ratlos über ihren Sohn. Wem wäre das nicht so gegangen? Wie Larry bemerkt
hatte: »Stell dir vor, es handelte sich um Christopher !«
Rasch sprach ich weiter: »Mein
Name ist Susan Russell, und das ist Larry Lee, Mrs. Hepburn. Wir beide sind
Farmersfrauen und haben beide kürzlich einen Anhalter mit heimgebracht .« Es sollte unbefangen klingen, aber das gelang mir nicht
recht, und Larry sprang ein: »Es ist sonst bei uns nicht Sitte, einen Anhalter
mitzunehmen und hierherzubringen, Mrs. Hepburn. Susan befand sich in einem
Irrtum. Sie sah ihn von hinten, und diese langen Haare...« Sie stockte, und
Mrs. Hepburn seufzte wieder. »Ich weiß! Dieser alberne Junge! Von hinten kann
man ihn für ein Mädchen halten. Es tut mir schrecklich leid. Und Ihr Anhalter,
hatte der auch so lange Haare ?« fragte sie. Sie gab
sich große Mühe, die Angelegenheit von der heiteren Seite zu nehmen.
»Keineswegs !« fuhr ich triumphierend dazwischen. »Aber er hatte einen Hund dabei, und das
genügte Larry. Es erwies sich aber, daß der junge Mann recht brauchbar ist. In
diesen arbeitsreichen Wochen sind wir froh um einen Helfer. Der Januar ist für
uns einer der schlimmsten Monate wegen der Heuernte und der Schafschur und so
weiter .« Ich wurde wohl etwas weitschweifig, und Miß
Adams, die vergnüglich zugehört hatte, unterbrach: »Wie wäre es, wenn Mrs.
Hepburn auf eine Tasse Tee zu mir ins Wohnzimmer käme? Da können wir uns
gemütlich über die Jugend von heute unterhalten .«
Mrs. Hepburn nahm das dankbar
an; ich sah, daß sie etwas verwirrt war. Tantchen war durchaus nicht der Typ,
den sie bei den »Hinterwäldlern« erwartet hatte. Und mit Larry und mir ging es
ihr wohl genauso. Für sie war das wohl eine Erleichterung, denn es bewies, daß
David hier wenigstens in anständiger Gesellschaft war. Larry hat die fatale
Neigung, den Charakter eines Menschen zu schildern, den sie gar nicht kennt.
Sie täuscht sich dabei oft gewaltig, und bei Mrs. Hepburn hatte sie sich
gründlich geirrt. Sicherlich war diese hübsch und modisch gekleidet, aber ihr
Gesicht war weich, und ihre ganze Erscheinung machte einen sensiblen und
verletzlichen Eindruck. Sie hatte ihren David mit seinen seltsamen
Eigenschaften wohl schon oft verteidigen müssen und war jetzt besonders
ärgerlich um seinetwillen. Er hatte seine Mutter gewiß nicht überschätzt, als
er zu mir sagte, sie sei »schon recht«.
Für einen Fremden war Miß
Adams’ Wohnzimmer stets eine Überraschung. Ihre Privaträume grenzten an den
Laden; sie waren riesig gemütlich. Das Wohnzimmer, mit einigen recht guten
Bildern an der Wand, war ganz bezaubernd. Mrs. Hepburn war zu taktvoll, um ihre
Verwunderung zu zeigen, aber sie sagte doch: »Welch ein wunderschöner Raum !« Dann nahm das einzige Foto im Zimmer ihr Interesse in
Anspruch. Es stand auf einem antiken Schrank und zeigte Tantchens Mutter in
jungen Jahren, ein entzückendes Mädchen mit der Grazie und der Haltung ihrer
Generation. »Verzeihen Sie bitte !« sagte Mrs. Hepburn
und nahm das Bild vom Schrank, um es genauer anzusehen. Sie wandte sich an
Tantchen: »Bitte, Miß Adams, erklären Sie mir doch! Das ist nämlich die Cousine
meiner Mutter, Elizabeth Adams, geborene Graham .«
Tantchen war überrascht. »Freilich
ist das Elizabeth Adams, meine Mutter .«
»Dann sind Sie Lavinia Adams,
meine Cousine !« schloß Mrs. Hepburn triumphierend.
Ein dramatischer Augenblick!
Die beiden Damen sahen einander an, dann streckte Tantchen die Hand aus. »Sie
heißen Diana Graham, wenigstens hießen Sie so, bevor Sie geheiratet haben.
Unsere Mütter waren Cousinen. Das nenne ich eine Überraschung !«
Zu meinem
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