Fremde Schiffe
Waldboden. Nach den langen Tagen an Bord war es ein gutes Gefühl.
Pendu fühlte sich außerordentlich unbehaglich. »Ja, meine Königin. Es tut mir leid.«
»Leid? Mein Gemahl tat, was er für richtig hielt, um mich zurückzubekommen. Von mir aus kann er fünfzig Königinnen in sein Bett holen, wenn es seinem Vorteil dient. Er ist kein gewöhnlicher Mann. Glaubst du etwa, dass Dinge, die er mit einer gewöhnlichen Frau tut, etwas zwischen ihm und mir ändern?«
»Natürlich nicht, meine Königin«, erklärte Pendu hastig.
»Lass mich eine Weile allein.«
»Wie Majestät befiehlt.« Er verneigte sich und ging davon. Sie wusste, dass ihre Krieger den Wald außer Sichtweite durchkämmten, um sie vor jeder Gefahr zu schützen.
Jetzt verstand sie, was geschehen war. Sie dachte an Shazad und sah die wunderschöne junge Prinzessin vor sich, die sie mit großer Freude als Sklavin gehalten hatte. Selbst damals war sie eine wilde, leidenschaftliche Frau gewesen, tapfer genug, den eigenen Vater zu retten. Sie hatte seine verräterischen Offiziere töten lassen und die Flucht des alten Königs gedeckt, wobei sie selbst in Gefangenschaft geraten war. So war sie Larissa in die Hände gefallen.
Inzwischen war sie eine Frau mittleren Alters. Die Jahre und die Verantwortung hatten ihre Spuren hinterlassen. Dabei hatte sie an innerer Kraft gewonnen, musste aber die Feuer ihrer Leidenschaft unterdrücken, wie es sich für eine zivilisierte Herrscherin ziemte. Larissa wusste besser als jede andere, dass bestimmte Leidenschaften niemals versiegten. Sie hatte ihre Gelüste immer ausgelebt. Bei Shazad war es, als glühten heiße Kohlen unter einer Schicht Asche.
Gasam hatte die Frau auf den ersten Blick durchschaut. Er durchschaute sie noch immer. Er war einfach in ihren Palast spaziert und hatte die Asche fortgeblasen. Ihr Leben lang hat sie darauf gewartet, dachte Larissa. Gasam in sich zu spüren war schon immer ihr geheimster Traum. Er war die gesichtslose Kreatur, die ihr des Nachts erschien und sie mit schmerzenden Lenden erwachen ließ. Gasam, Shazad, Larissa, Hael … ihre Schicksale und Körper hatten sich im Laufe der Zeit miteinander verwoben und die Welt verändert.
Sie war Pendu gegenüber nicht ehrlich gewesen. Gewöhnliche Frauen – aber Shazad war keine gewöhnliche Frau. Sie war nicht so schön wie Larissa, besaß aber mehr Leidenschaft, als man ihr zutraute. Außerdem war sie eine mächtige Königin. Shazad sah sich sicherlich an Gasams Seite sitzen, Thron an Thron. Das durfte nicht sein.
Larissa zweifelte keine Sekunde an Gasams Liebe. Ihm war es bestimmt, die ganze Welt zu erobern, mit ihr an seiner Seite. Sollte Shazad die kleine Liebelei noch ein wenig genießen. Sie und Larissa waren seit Jahren Erzfeindinnen und Shazad sollte einmal im Leben erfahren, wie wahre Ekstase aussah. Dann würde Larissa sie töten.
Sie verscheuchte die finsteren Gedanken. Alles änderte sich, wie Pendu gesagt hatte. Was geschah, wenn Shazad erfuhr, dass Larissa lebte und sich wieder inmitten ihrer Shasinn befand? Würde sie Gasam gefangen nehmen? Larissa teilte sein Vertrauen in Shazads Ehrenwort nicht. Sie musste ihm eine Nachricht schicken und ihn so schnell wie möglich aus der Stadt holen. Sie überlegte fieberhaft und dachte an Hael.
Ansa fühlte sich fast wieder gesund. Seit der Rückkehr in den Palast war die Heilung atemberaubend schnell fortgeschritten. Ein königlicher Medikus erklärte, der lange Ritt hätte die Heilkräfte der Natur, die in der Leber saßen, angeregt. Ansa war der Meinung, dass nichts so gut wie der Ritt auf einem feinen Cabo war, um wieder zu Kräften zu kommen. Steppenkrieger und Cabo waren eins und gaben einander Kraft und Ausdauer. Aus welchem Grund auch immer, seine Schmerzen ließen nach und die Wunden bluteten nicht mehr. Die lange Narbe, die sich über seinen Körper zog, leuchtete in grellem Rot und auch die übrigen kleineren Wunden verblassten allmählich. Er trainierte Tag für Tag, um die Muskeln geschmeidig zu halten. Er ritt und übte sich mit Schwert, Dolch, Bogen und Lanze. Wenn es zum Kampf kam, wollte er bereit sein.
Es konnte nicht mehr lange dauern. Während Shazad mit Gasam herumtändelte, spitzte sich die Lage zu. Die Soldaten murrten über die Untätigkeit und langweilten sich zu Tode. Die Anwesenheit der Shasinn und die ungewöhnliche Tatenlosigkeit der Königin verstörten den Hofstaat.
Schlimmer noch: Das Flüchtlingsschiff war auf dem Weg nach Norden gesichtet
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