Fremde Schiffe
sie im Augenblick für unzurechnungsfähig. Ich denke, es ist zu ihrem Besten, wenn wir sie wieder auf den richtigen Weg bringen.«
»Ich finde, wir sollten nicht vor extremen Maßnahmen zurückschrecken«, meinte der Höfling. »Die Ermordung einer Königin ist eine schreckliche Tat, aber es wäre viel schlimmer, wenn die Insulaner unser Land regieren.«
Ansa fragte sich, aus welcher Familie der Mann stammte. Er machte den Vorschlag sicher nur, weil er sich eigene Vorteile davon versprach.
Chutai schnaubte verächtlich. »Das würde einen Bürgerkrieg heraufbeschwören. Gibt es einen Thronanwärter, dessen Anspruch stark genug ist, um ohne Krieg auf den Thron zu kommen? Glaubt irgendjemand hier etwa nicht, dass sich die Insulaner einen Bürgerkrieg zunutze machen würden?«
»Nein, es gibt keine starken Anwärter«, antwortete ein General. »Königin Shazad hat sie schon vor Jahren beseitigt.«
»Das war auch gut so!«, erklärte Chutai voller Überzeugung. »Freunde, wir wollen etwas unternehmen, lieben einander aber nicht genug, um einen von uns als Nachfolger Shazads vorzuschlagen. Reden wir also vernünftig.«
»Ich glaube, Graf Chutai hat Recht«, sagte Ansa. »Ich bin Ausländer, aber mein Vater und Gasam sind seit ihrer Kindheit Feinde. Nachdem ich Larissa gefangen nahm, hatte Graf Chutai schon bei der ersten Versammlung Recht mit dem, was er sagte.« Er hielt es für klug, sie daran zu erinnern, wer die Frau entführt hatte. »Er sagte, sie solle getötet werden, und genau so hätte es sein sollen. Sie ist geflohen und Gasam weiß es bestimmt schon. Auch Gasam hätte sofort in Ketten gelegt oder umgebracht werden sollen. Ich respektiere das Ehrgefühl der Königin, aber was die beiden Ungeheuer angeht, so ist es unangebracht.«
»Aye, aye!«, stimmten viele Offiziere zu.
»Prinz Ansa«, meldete sich wieder der Beamte zu Wort, »während mein Respekt für dich grenzenlos ist und wir deinen Rat zu schätzen wissen, so bist du – wie du selbst gesagt hast – ein Ausländer. Deine Stellung als Prinz des Steppenvolkes ist für uns von größter Wichtigkeit. Dein Vater, König Hael, und unsere Herrscherin sind alte Freunde und Verbündete. Sie haben oftmals Seite an Seite gekämpft.«
»Wir möchten wissen«, unterbrach ihn Graf Chutai, »was dein Vater unternehmen wird, wenn wir gegen unsere Königin vorgehen. Wir möchten die Invasion der Insulaner nicht gegen einen Sturmangriff der Caboreiter eintauschen. Natürlich ist der Gesundheitszustand König Haels zu bedenken, aber noch vor wenigen Monaten hielten wir Gasam für einen toten Mann. Und was ist daraus geworden?«
»Alles hängt von der Art eurer Maßnahmen ab«, sagte Ansa, der seine Worte sorgfältig wählte. »Wenn Königin Shazad unter Arrest gestellt wird, bis die Angelegenheiten der Insulaner geregelt sind, wird mein Vater nichts unternehmen. Wird sie aber getötet oder schwer verletzt, müsst ihr Schlimmes erwarten.« Er war sich nicht sicher, ob das stimmte. So groß die Freundschaft zwischen Shazad und seinem Vater auch war – Hael mochte die Insulaner als zu große Bedrohung ansehen, um sich um Shazad zu sorgen. Ansa hoffte, mit seinen Worten die schlimmsten Hitzköpfe zur Vernunft zu bringen.
»Ich werde nicht zulassen, dass unsere Königin verletzt wird«, bekräftigte Graf Chutai. Ein paar Männer nickten zustimmend. Andere sahen zweifelnd drein.
»Meine Freunde«, fuhr Ansa fort, »wir reden zu viel über Königin Shazad und ihr seltsames Benehmen. Gasam ist der wahre Bösewicht. Dieser Mann beeinflusst alle und jeden zum Schlechten. Die Shasinn waren ein einfaches Volk von Kriegern und Hirten, ehe er ihr König wurde. Er sieht die Welt als Spielplatz an und wurde nur von seinem Erzfeind Hael in die Schranken verwiesen.« Er sah, wie ein paar Offiziere sich empört aufrichteten, und setzte hinzu: »Und natürlich auch durch die tapfere Marine und die Armee von Neva. Fest steht eines: Beseitigt Gasam und die Königin kommt wieder zur Vernunft.«
»Ich bin dafür!«, rief Chutai.
»Wenn sie ihr Ehrenwort bricht, werden Köpfe rollen«, meinte der Beamte.
»Dann müsst ihr jetzt beweisen, welches Opfer ihr für euer Land bringen wollt.« Ansa sah sich um und entdeckte wenig Begeisterung.
»Leider ist der Insellanghals nicht so einfach zu töten«, sagte Chutai, »denn er ist von Shasinn umgeben. Zwar ist er kein von Dämonen geschützter Gott, aber ich halte es für möglich, dass er sich den Weg freikämpft, selbst wenn die
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