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Fremde

Fremde

Titel: Fremde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gardner R. Dozois
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der Erde aufgebrochen war, zurück.
    Natürlich konnte das nicht lange dauern.
    Jahrelang haben Autoren und Gelehrte darüber gestritten, warum Farber sich entschloß, Liraun zu heiraten. In Wirklichkeit war sich Farber niemals sicher gewesen. Es war weniger eine bewußte Entscheidung als etwas – wie er rückblickend merkte –, zu dem er sich an irgendeinem Punkt verpflichtet fühlte. Wann genau dieser Punkt gekommen war, der Moment der Bindung, wußte er selbst nicht. Aber es gab sechs bestimmte Dinge, die ihn darauf zuführten, sechs lange Schritte ins tiefe Wasser.
    Vielleicht tat er schon den ersten Schritt, als er merkte, daß Liraun unglücklich war.
    Vielleicht nicht richtig unglücklich – denn sie hatten immer noch viel Vergnügen aneinander –, aber vielleicht besorgt und unter einem seelischen Zwiespalt leidend. Selbst in den fröhlichsten Augenblicken umgab sie etwas Melancholisches, das nun täglich stärker und schwerwiegender zu werden schien. Er merkte es, reagierte darauf besorgt, aber konnte nicht herausfinden, was da genau geschah. Wie immer war sie äußerst zögernd dabei, wenn es darum ging, ihre Gefühle zu äußern, und wechselte immer das Thema, wenn Farber sie fragte, oder zog sich zurück, wenn er nach einer Antwort drängte.
    Erst als sie die monatliche Co-Op-Cocktailparty besuchten – eine aufreizende Trotzgeste von Farber, aus der er ein bittersüßes Vergnügen zog –, begann er zu begreifen, was falsch lief. Zu der Party wurden regelmäßig prominente Mitglieder der cianischen Bevölkerung geladen. Sie lief immer noch unter dem Etikett »Cocktailparty«, auch wenn Hallizogene und Amphetamine ebenso serviert wurden wie Alkohol. Es erschienen auch tatsächlich immer einige Cian. Sie nannten die Parties »Kleiner Brauch« und schienen sie mit toleranter, amüsierter Herablassung zu betrachten wie ein absurdes Spiel, aufgeführt von Kindergartenkindern.
    Heute abend waren die Cian gegenüber Liraun sehr kalt, noch kälter, als es die Terraner gegenüber Farber waren. Sie schnitten sie nicht gerade, aber hinter allem, was sie sagten und taten, lag eine kaum verhüllte Feindseligkeit, die ihre Mißbilligung ihr gegenüber ausdrückte. Jacawen sur Abut war dort, dieser kühle Mensch – als Verbindungsmann mußte er auch dort sein, aber man spürte deutlich, wie er diese Verpflichtung haßte; anders als die anderen Cian, die mit aufgesetzter Fröhlichkeit und nicht ohne eine Spur Sarkasmus an dem Fest teilnahmen, beobachtete er verächtlich die Menge der lauten Partygäste und beäugte die Tanzenden zornig. (Er versuchte sich niemals selbst an einem der terranischen Tänze, wie andere Cian es manchmal taten, wobei ihre Anmut und Geschmeidigkeit die tanzenden Terraner weit in den Schatten stellten, selbst wenn sie belustigt die Schritte imitierten und gutmütig in das Lachen einstimmten, das ihre Versuche, den Skorpion oder den Staubteufel-Dreischritt zu imitieren, unvermeidlich hervorrief.) Jacawen trank nichts, verweigerte Essen und Drogen. Und ebenfalls abweichend von den anderen Cian, war er auch offen feindselig gegenüber Liraun. Seine grausamen Augen durchbohrten sie; wann immer er sie sah, schritt er abrupt aus Räumen, die sie betrat, weigerte sich, mit ihr zu reden und ihre Anwesenheit irgendwie positiv anzuerkennen.
    Liraun wirkte angespannt und schwieg den ganzen Abend. Sie blieb so gut es ging für sich. Farber war bekümmert. Es war ihm nie in den Sinn gekommen, daß ihre Beziehung Liraun aufzwingen würde, von ihren Leuten so geschnitten zu werden wie er von seinen; er hatte gemerkt, daß die Terraner sich ihr gegenüber distanziert verhielten, sich aber nicht vorgestellt, daß, wenn er sie zu der Party brächte, er sie auch der Feindseligkeit und dem Zorn der Cian aussetzen würde.
    In dieser Nacht war sie zum erstenmal, seit er sie kannte, im Bett unkonzentriert und unsensibel. Zuerst dachte er, sie sei wütend auf ihn, weil er sie zu der Party mitgenommen hatte, aber dann merkte er, daß ihr Kummer mehr aus Schmerz und Demütigung bestand als aus Zorn. Still lagen sie zusammen in der Dunkelheit; ihr schweißnasser Schenkel lag noch über seinem Bein, der Kopf auf seiner Schulter, und drei ihrer Brustwarzen – immer noch hart – preßten sich an seine Seite. Sie fühlten, wie der Schweiß auf ihren Körpern trocknete, die Körperflüssigkeiten und Samen in ihrem Schamhaar trocken und klebrig wurden, beobachteten den sanften Lichtschimmer von der Straßenlaterne

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