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Fremde

Fremde

Titel: Fremde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gardner R. Dozois
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Bestimmt, es half. Es tötete die Nerven genügend ab, betäubte das Gehirn, und er machte sich keine Sorgen mehr um schlechte Träume. Er machte sich um überhaupt nichts mehr Sorgen. Er trank weiter. Er begann sich auf dem schwarzen Markt der Enklave Pillen zu besorgen, rationalisierte jeden Schritt auf bewundernswerte Weise, und von da ab begleiteten seine Drinks Tranquilizer oder umgekehrt. Er experimentierte mit einheimischen Getränken. Mit Weinen und Schnäpsen aus fremdartigen Substanzen. Er fand eine seifige einheimische Wurzel, die irgendwie wie ein Yam aussah, und die, in Wein aufgelöst, sogar noch besser als die Pillen wirkte. Es war auch billiger so.
    Er war nun die meiste Zeit betrunken.
    Er begann auch, dick zu werden.
    Dank seiner eisernen Konstitution war er immer noch erstaunlich gesund, wenn man in Betracht zog, was er seinem Körper jeden Tag antat. Aber seine Hände, bemerkte er, begannen ein feines Zittern nicht mehr zu verlieren.
    Wie lange noch, ehe er sich selbst über die Schwelle schob, hinter der er sich nicht mehr erholen würde?
    Noch ein bißchen Wein.
    Zumindest war er ein höflicher Trinker, fand er. Wenn er auch mürrisch wurde, sobald er betrunken war, zeigte er sich doch niemals heftig oder unhöflich gegenüber Liraun. Er schlug sie niemals oder machte ihr Vorwürfe. Er gestattete es sich nicht, sie gemein zu behandeln, hielt sich heftig zurück, wenn er spürte, daß sich Aggressivität in ihm aufbaute. Das zumindest konnte er. Sie gehörte ihm. Sie hatten etwas Besseres verdient, wenn sie von der Arbeit, die sie am Leben hielt, nach Hause kam, als von einem betrunkenen Dummkopf herumkommandiert zu werden. Das durfte nicht passieren, sagte er sich, und fühlte sich dabei, als riefe er in einen tiefen, trockenen Brunnen hinein. Liraun schien immer noch recht glücklich zu sein, wenn sie auch von ihm enttäuscht sein mußte – sie behandelte ihn immer noch so wie zuvor, tröstete ihn, wenn er schreiend aufwachte, kochte für ihn, ignorierte seinen empfindlichen Zustand. Sie wurde mit ihm fertig, die arme Frau, sagte er sich selber. Arme Frau!
    Noch ein bißchen Wein.
    Irgendwo tauchte in seinem Kopf der erste schüchterne, tückische Gedanke an Selbstmord auf.
     
    Ein paar Tage später wurde Liraun plötzlich in sich gekehrt, nervös und ziemlich knurrig. Farber fragte sich, ob sie seiner schließlich doch überdrüssig geworden war und trank drei Tage lang deutlich weniger, in einem halb heimlichen, halb ehrlichen Versuch, ihr zu gefallen. Aber das war vergebliche Mühe, denn es war nicht sein Trinken, das sie quälte.
    Am frühen Abend des dritten Tages von Farbers Halbabstinenz sagte sie ihm, was sie wirklich beschäftigte. Es war der Beginn des Weinunid, erklärte sie, eine jener Perioden alle vier Jahre, in der es einer Frau nach dem Brauch gestattet war zu empfangen. Wenn Farber es wünschte, daß bei der nächsten Welle ein Kind geboren würde, müßte er sie in den nächsten vier Tagen schwängern. Andernfalls müßte er weitere vier Jahre bis zum Beginn der nächsten Welle warten, bei der sie auf jeden Fall empfangen müßte – vier Jahre waren der äußerste Zeitraum, in dem es einem Paar gestattet war, kinderlos zu bleiben. Die meisten Paare warteten diese vier Jahre ab, ehe sie Kinder zeugten. Aber nach dem Brauch lag diese Entscheidung bei Farber – er brauchte sie nur zu schwängern, wenn er es wünschte.
    All dies wurde mit zögernder, verhaltener Stimme erklärt, als würden die Worte gegen ihren Willen an einem Faden aus ihr herausgezogen. Das Tabu, persönliche Dinge zu diskutieren – selbst mit einem Ehemann (oder war das so, weil er Terraner war?) –, war stark. Die meiste Zeit wurde ihm begegnet, indem man derartige Dinge umschreibend und symbolisch andeutete. Wenn offene Worte notwendig wurden, wie jetzt, dann war der Streß so groß, daß er aus einer normalerweise gesprächigen Frau einen Stotterer machte.
    Aber irgend etwas anderes lief ebenfalls falsch. Er betrachtete sie eingehend. Sie war immer noch nervös und verspannt. Sie stand steif mit überkreuzten Füßen da. Ihre Augen waren zu Schlitzen zusammengezogen, die Muskeln im Kinn angespannt. Ein paar Schweißperlen formten sich auf ihrer Stirn. Sie versuchte, weiter unbeholfen über Weinunid zu reden.
    Das ist es also, dachte er. Sie will ein Kind, und sie weiß, wenn ich mich nicht dafür entscheide, wird sie vier Jahre warten müssen. Und natürlich ist es gegen die Sitte, wenn sie meine

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