Sinnliche Naechte in Paris
1. KAPITEL
Er stand auf der Terrasse des großen Ballsaals und blickte über den einsamen Strand und das dunkel schimmernde Meer. Der sichelförmige Mond spendete ein blasses Licht.
Gedämpftes Stimmengemurmel und leise Musik drangen durch die halb geöffneten Türen hinter ihm, doch er war allein.
Allein und verärgert.
Die Nacht war mild, der Blick bezaubernd, aber Khalil war nun mal aus geschäftlichen Gründen nach Al Ankhara gekommen, nicht weil er sich vergnügen wollte. Bislang hatten sie jedoch nicht mal ansatzweise über Geschäftliches geredet.
Alles hier war ihm vertraut. Der große maurische Palast. Der feine weiße Sand. Das endlose Meer. Er war hier geboren, nicht nur in Al Ankhara, sondern im Palast selbst. Die Legende besagte, dass sein Volk so alt war wie das Meer und so zeitlos wie die Wüste. Einst war es ein Land der Krieger gewesen, nun versuchte es, in einer modernen neuen Welt seinen Platz zu finden.
Khalil gehörte zu beiden Welten. Sein Herz würde immer hier, in diesem wilden und wunderschönen Land verankert sein, doch sein Leben fand in New York statt, wo er die vergangenen zehn Jahre verbracht hatte.
Ein Stirnrunzeln zeichnete sich auf seinem schönen Gesicht ab.
Früh am Morgen war er angekommen, von seinem Vater herzitiert, der von einer dringenden Staatsangelegenheit gesprochen hatte.
Khalil hatte die E-Mail gelesen, verhalten geflucht, per Telefon seinen Privatjet geordert, einen millionenschweren Business-Deal unterbrochen und eine neue Geliebte allein im Bett zurückgelassen. Stunden später war er aus dem Flugzeug gestiegen, auf alles gefasst …
Doch begrüßt wurde er, als sei dies nur ein ganz gewöhnlicher Besuch wie jeder andere auch.
Scheich Khalil al Kadar, Kronprinz von Al Ankhara, Beschützer des Volkes, Erbe des Thrones des Löwen und des Schwertes und – soweit er wusste – Träger mindestens eines Dutzends weiterer überholter Titel, schob die Hände in die Hosentaschen und seufzte frustriert.
Sein Vater, wie üblich von einer wahren Heerschar an Ministern und Beratern flankiert, hatte ihn herzlich begrüßt und ihm dann zu verstehen gegeben, dass er vorerst keine Zeit für ihn habe. Khalils Stimmung war schnell in Irritation und Verärgerung umgeschlagen, was sich auch nicht besserte, als am Nachmittag der Privatsekretär seines Vaters an die Tür klopfte und ihm mitteilte, der Sultan erwarte ihn auf dem Staatsdinner, das für den Abend angesetzt war.
Wenn er jetzt daran dachte, verkrampfte sich Khalils Kiefer.
Wie „dringend“ konnte wohl eine Sache sein, wenn man sie besprechen wollte, während zweihundert Gäste anwesend waren?
Khalil bemühte sich wirklich, während des Dinners höflich zu bleiben, und dass obwohl er immer wütender wurde. Irgendwann hatte er sich entschuldigt und war auf die Terrasse gegangen, um auf die Uhr zu schauen und sich zu fragen, was in aller Welt hier eigentlich los war und …
Was war das?
Eine dunkle Gestalt trat aus den Schatten der Palastmauer und eilte rasch auf den Strand zu. Khalil kniff die Augen zusammen. Wer war das? Zu so später Stunde? Oder noch wichtiger: Wer hielt sich an diesem Privatstrand auf, zu dem nur die Angehörigen des Palastes Zugang hatten, und der streng bewacht wurde?
Einer der Gäste? Nein. Die Gestalt war in ein Djellaba samt Kapuze gekleidet, eine Männertracht. Die Männer beim Staats dinner trugen jedoch alle westliche Dinneranzüge.
Khalil trat dichter an das Geländer.
Bei näherem Hinsehen erkannte er, dass die Gestalt da unten kein Mann sein konnte. Sie war viel zu zierlich. Dann wohl noch ein Junge, der jetzt das Meeresufer erreicht hatte. Khalil verengte die Augen. Bildete er sich das nur ein, oder wirkte der Junge äußerst angespannt?
Sehr zögerlich schien er einen Schritt nach vorn zu machen. Das Meerwasser umspülte seine Fußknöchel, leckte an den Beinen und durchdrang den dicken Stoff der Djellaba .
Was in aller Welt hatte der Junge vor?
Nur ein Narr stellte eine solche Frage. Der Junge ging direkt ins Meer – lediglich zwanzig Schritt vom Ufer entfernt fiel das Wasser jedoch steil ab, und in dieser Gegend tummelten sich häufig gefährliche Haie.
Khalil fluchte, griff nach dem Geländer und sprang darüber hinweg auf den Strand.
Laylas Herz hatte so laut gepocht, als sie aus der Tür des Harems geschlüpft war, dass sie sicher gewesen war, jeder müsse es hören können.
Es wunderte sie immer noch, dass sie überhaupt so weit gekommen war.
Ihre Bewacher
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