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Fremde

Fremde

Titel: Fremde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gardner R. Dozois
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Er hatte sie einige Male im Haus der Genawen getroffen und einiges Gerede über sie gehört. Sie hatte nun bei zwei Weinunid -Perioden nicht empfangen und wurde für unfruchtbar gehalten.
    Liraun und Tamarane beäugten sich sowie zuvor Liraun und der Mob, und zwischen ihnen herrschte die gleiche Feindseligkeit und Spannung wie zuvor.
    Schließlich gelang Tamarane ein verzerrtes Lächeln mit ihrem verletzten, blutigen Gesicht. »Nun, Mutter«, sagte sie mit gebrochener, ironischer Stimme. »Danke für mein Leben.«
    »Ich hätte dich ihnen überlassen sollen«, entgegnete Liraun bitter. »Ich hätte dich ihnen überlassen sollen. Nur konnte ich es irgendwie nicht …« Plötzlich schwankte sie, war nicht mehr stark, sah grau und müde und hager aus. Farber streckte die Hand aus, um sie zu stützen.
    Auch Tamaranes Gesicht veränderte sich. »Liraun …« sagte sie oder versuchte es, mit Betroffenheit in der Stimme und reumütiger Zärtlichkeit. Aber Liraun schnitt ihr mit einer Handbewegung das Wort ab. »Ich will nichts von dir hören«, sagte Liraun kalt. »Es gibt nichts, was du noch irgend jemandem zu sagen hättest. Du hast dir dieses Privileg verscherzt.« Dann kam die Kutsche, und Liraun stieg, unterstützt von Farber, hinein. Sie sah Tamarane nicht mehr an.
    Farbers letzter Blick auf die Szene, als die Kutsche fortrumpelte, traf auf eine Tamarane, die allein mitten auf dem Platz stand und ihnen nachsah und mit ihrem zerstörten Gesicht ein komplexes, bitteres, ironisches Grinsen grinste, als sie hinter ihnen in Dunkelheit und Geheimnis versank.
     
    Liraun weigerte sich, über den Vorfall zu sprechen, doch am nächsten Tag war Farbers Arbeitsstelle voller Klatsch und Gerüchten. Man hatte entdeckt, daß Tamarane – wie, das wußte niemand – in Wirklichkeit nicht unfruchtbar war. Statt dessen hatte sie eine Droge genommen, welche die Empfängnis verhinderte (der Cian erschauerte in unvorstellbarem Entsetzen, als er dies mitteilte, und Farber fiel auf, daß es das Wort »Verhütungsmittel« in ihrem Vokabular gar nicht gab) – die besagte Droge-die-Empfängnis-verhindert sei unter enormen Mühen von den fernen Landen an der Südküste heraufgeschmuggelt worden. Daher die Opeinade. Offensichtlich konnte nur ein Optin oder eine Frau, die von einem Optin besessen war, eine so monströse Tat begehen, und das beste war, sie auszulöschen, ehe der Optin noch andere vergiften konnte. Farbers Kollegen waren alle durch Lirauns Eingriff bei der Opeinade verwirrt, aber sie tadelten sie nicht dafür – jetzt, da der kritische Moment vorüber war – und stellten auch ihre Handlung nicht in Frage: Immerhin war sie »Eine, die der Harmonie teilhaftig ist«, und von daher waren ihre Entscheidungen göttlich motiviert und per definitionem korrekt, wie unbegreiflich sie auch immer den anderen bloß untransmogrifizierten Wesen erscheinen mochten – ärgerlicherweise schlossen sie Farber in diese Bezeichnung mit ein und scherten sich nicht darum, ihn nach den Gründen für Lirauns Benehmen zu fragen, denn sie nahmen selbstverständlich an, er sei viel zu niedrig, um sie verstehen zu können.
    Aber die Affaire um Tamarane war bei weitem nicht vorbei. Man hatte schon zwei Flußhändler unter dem Verdacht der Komplizenschaft beim Schmuggel der Droge-die-Empfängnis-verhindert in den Norden von Shasine verhaftet, und Tamarane selbst war in Slop verschwunden, dem Hort fremder Wirtshäuser und billiger Hotels am Vandermontufer des Aome. Niemand würde ihr etwas zuleide tun, denn eine Mutter von Shasine hatte ihren schützenden Mantel über sie gebreitet, doch zugleich war allen klar, daß sie nicht lange in Aei bleiben konnte – niemand würde ihr helfen, ihr Schutz gewähren oder ihr etwas verkaufen, außer vielleicht ein paar fremde Kaufleute von zweifelhaftem Aussehen. Aber wenn Lirauns Zeit als Mutter vorbei war, galt ihr Schutz nicht mehr, und die Opeinade würde wieder die Jagd auf Tamarane beginnen. Es gab noch weitere Spekulationen, etwa die, ob Lord Vrome vielleicht selbst an dem Verbrechen seiner Frau beteiligt war. Ob er es nun gewußt hatte oder nicht, er war jedenfalls in tiefe Ungnade gefallen.
    Später nahm Farber die Zahnradbahn hinauf in die Altstadt. Er war gerade auf der Esplanade angekommen und bahnte sich seinen Weg durch die Nachmittagsmenge auf der Terrasse, als seine Aufmerksamkeit plötzlich durch das andauernde Schellen eines Gongs oder einer Triangel erregt wurde. Er blickte hoch. Dort stand ein Mann

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