Fremde
der lange Nachmittag in dunkle Nacht überging. Während dieser Zeitspanne kamen zwei weitere Prozessionen aus Aei an. Es waren weniger aufwendige Angelegenheiten von ärmeren Familien – keine bestand aus mehr als zwölf Mitgliedern, und ihre Kostümierung war nicht so prächtig. Alle Beteiligten ignorierten ihn, wie auch die Bewohner des Gebärhauses ihn in den langen Zwischenräumen zwischen den Prozessionen ignoriert hatten. Während Farber zusah, brachte die letzte Prozession die Mutter in das Haus hinein, zündete dann rauchige, rußige Fackeln an – es war jetzt vollständig dunkel – und zog zurück nach Aei. Ihre Fackeln wurden kleiner, wurden zu winzigen zuckenden Flämmchen und erloschen eine nach der anderen. Wieder war Farber allein und starrte auf den geheimnisvollen, kahlen Steinbau.
Drei Frauen waren in das Gebärhaus gegangen.
Keine war wieder herausgekommen.
Zitternd glitt Farber plötzlich nach vorn, von der Straße hinab, stampfte durch den knietiefen Schnee. Er wußte nicht, wohin er wollte oder was er zu tun gedachte – wie ein Pfeil, der plötzlich losgelassen wird, schoß er los, ging, weil er gehen mußte. Eine Eingebung hatte ihn hierhergebracht, Mißtrauen hatte ihn hier gehalten, und es war ein Verdacht, der sich nun zur Unerträglichkeit verdichtet hatte, der nun wie eine Bogensaite unter Druck setzte und ihn auf sein Ziel zujagte. Dieser Verdacht war wortlos, unbegründet, irrational; er hatte ihn nicht einmal bewußt weiter verfolgt. Aber auf der unbewußten Ebene war er akzeptiert und geglaubt worden – nun suchte er nach Beweisen. Er begann das Gebärhaus zu umrunden, kämpfte sich durch dichtes, wintergestreiftes Gebüsch. Zweige knackten unter seinen Schritten wie Knochen, und Zweige peitschten ihm in die Augen. Der Schnee reichte ihm bis zum Schenkel, dann bis zur Hüfte. An der Seite erhoben sich die grauen, glatten Wände des Gebärhauses. Er grinste nervös, während er sich durch den Schnee kämpfte. Das Haus hatte überhaupt keine Fenster.
Auf der anderen Seite des Hügels fand er eine weitere Tür. Es war eine einfache Tür aus beschlagenen Brettern, fast nur ein Ausschlupf, in die Seite des schneebedeckten Hügels eingelassen, wo das Haus gegen den Felsen stieß. Vor der Tür befand sich eine flachgetrampelte Fläche, und dort standen zwei oder drei rechteckige Kästen, ungefähr vier mal vier Fuß groß. Abfall, war Farbers erster Gedanke, so vertraut und normal erschien ihm die Szene. Aber die Kästen waren aus hartem Holz, unbehandelt, aber glattgehobelt, und sie sahen kräftig und gut verarbeitet aus. Keine Wesen machten um Müll soviel Aufwand. Farber wollte näher herantreten, um sie zu untersuchen, als er von der Tür ein lautes, metallisches Klicken hörte, gefolgt von einem rostigen, quietschenden Geräusch. Farber erstarrte halb geduckt und spähte vorsichtig hinüber.
Die Tür schwang auf. Gelbes Licht ergoß sich über den festen Schnee. Zwei silbergewandete cianische Techniker tauchten aus dem Tunnel auf und trugen einer der rechteckigen Kisten zwischen sich. Sie setzten sie neben die anderen Kisten und redeten ein paar Minuten lang leise miteinander. Silberblau hob sich ihr Atem vor dem hellen Licht aus dem Tunnel in der Luft ab; ihre dürren, von hinten erleuchteten Schatten erstreckten sich lang über das kahle Land. Dann gingen sie wieder hinein. Die Tür schloß sich. Das Licht erlosch.
Farber rutschte auf dem Rücken den Hang herab, glitt unten weiter, die Beine hilflos in die Luft gestreckt, weil er zuviel Geschwindigkeit erreicht hatte, um bremsen zu können, und landete in einer Schneewehe. Er arbeitete sich keuchend heraus, schlug sich den Schnee von den Kleidern und richtete sich vorsichtig auf, um nachzusehen. Er bemerkte einen undeutlichen Pfad von der geräumten Fläche vor der Tür, der sich nach Norden und Westen wand und sich in den fernen, wintergefangenen Hügeln verlor. Es war kaum mehr als ein in den Schnee gestampfter Pfad, aber Farber hätte wetten mögen, daß auf diesem Weg die Kästen abtransportiert wurden, wahrscheinlich von den Tausendfüßlern oder einem anderen großen Zugtier. Er betrat die geräumte Fläche und blieb stehen, um auf irgendwelche Gerausche zu lauschen. Nichts. Nervös ging er auf die Kästen zu und kniete bei einem von ihnen nieder. Er ließ die Hände über den Deckel gleiten, untersuchte ihn, fing sich einen Splitter ein. Vorsichtig zog er ihn heraus. Die Kiste war zugenagelt, aber nicht allzu fest.
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