078 - Das Drachennest
Für einen einfachen Fischer hatte Cesare Dannova ein ungewöhnliches Hobby: er malte leidenschaftlich gem. Seine Frau und seine Kinder waren von seinen Malkünsten nicht besonders angetan, doch sie ließen ihm diese kleine Freude. Sooft er Zeit hatte, verließ er das kleine Fischerdorf Porto Ercole, klemmte sich die Feldstaffelei, die Malmappe und den Malkasten unter den Arm und ging zum Strand.
Er liebte den Strand und das Meer im Winter. Kein Tourist störte seine Ruhe, kein Mensch war zu sehen.
Cesare Dannova stellte die Feldstaffelei auf und öffnete die Mappe, der er eine bemalte Leinwand entnahm. Er stellte sie auf die Staffelei und trat einen Schritt zurück. Cesare nickte zufrieden, das Bild drückte genau die Stimmung aus, die er empfunden hatte. Ein grauer Himmel verschmolz mit einem grauen' Strand. Es war ein trostloses Bild, das seine Einsamkeit widerspiegelte. In die rechte untere Ecke aber hatte er ein seltsames echsenartiges Tier skizziert, das so gar nicht zu dem übrigen paßte.
Cesare runzelte die Stirn.
Vor drei Tagen hatte er dieses Reptil gesehen. Wie so oft hatte er mit dem Fernglas über das Meer geblickt, dann den Kopf abgewandt und den Strand studiert. Dabei hatte er das Reptil entdeckt. Es war aus einer Spalte gekrochen. Cesare hatte nicht anders gekonnt. Er hatte das Tier gezeichnet. Es war nur einige Minuten zu sehen gewesen, dann war es wieder verschwunden.
Er hatte mit niemandem darüber gesprochen. Kein Mensch hätte ihm geglaubt, daß er eine fast mannsgroße Eidechse gesehen hatte.
Cesare zögerte. Er war sich noch immer nicht schlüssig geworden, ob er die Skizze einfach übermalen sollte. Dann entschied er sich.
Er öffnete den Malkasten und mischte einige Farben. Cesare hatte beschlossen, die Echse aus dem Gedächtnis zu malen. Rasch nahm das Bild Gestalt an. Es hatte einen krokodilähnlichen Schädel, auf dem sich ein querlaufender Kamm mit acht spitzen Zacken befand. Der Rückenkamm war etwas niedriger, reichte bis zum gut einen Meter langen Echsenschwanz und verband sich mit ihm. Die Arme und der Oberkörper waren wie bei einem Menschen proportioniert, die gewaltigen Klauen waren dreifingrig. Die Haut der Echse war grün, stellenweise geschuppt. So weit sich Cesare erinnern konnte, war das Tier etwa so groß wie ein zehnjähriger Junge gewesen.
Cesare runzelte die Stirn. Er legte den Pinsel in den Malkasten zurück und steckte sich eine Pfeife an. Dann schüttelte er, den Kopf. Die Echse paßte einfach nicht ins Bild. Er brummte. Verärgert sog er an der Pfeife und steckte die Hände in die Taschen seiner pelzgefütterten Jacke.
Ein leichter Wind war aufgekommen, der an der Staffelei rüttelte. Es wurde rasch dunkel.
Cesare hörte hinter sich ein leises Geräusch. Mißmutig wandte er den Kopf um. Vor Überraschung fiel ihm die Pfeife aus dem Mund.
Einige Schritte von ihm entfernt lauerten drei der Echsen, die ihn nicht aus den Augen ließen. Cesare hob unwillkürlich seine Hände und trat einen Schritt zur Seite.
Die Echsen schlichen langsam näher. Eine riß das Maul auf, und eine lange, gespaltete Zunge schoß hervor. Das Reptil stieß ein wütendes Fauchen aus, und die Zacken auf seinem Schädel bewegten sich heftig.
Cesare hatte Angst. Er wandte sich ab und lief los.
Zwei Echsen folgten ihm, während die dritte vor der Staffelei stehen blieb, sich auf die Hinterbeine stellte und mit den Vordertatzen wütend nach dem Bild schlug. Die Staffelei fiel zu Boden und das echsenartige Geschöpf hieb weiter auf die Leinwand ein. Dann ließ es davon ab und folgte seinen Gefährten, die Cesare Dannova eingeholt hatten und mit den Klauen nach seinen Beinen schlugen. Cesare lief mit zusammengepreßten Zähnen weiter. Er wußte, daß es völlig sinnlos war, um Hilfe zu schreien; kein Mensch konnte ihn hören. Er mußte die Straße erreichen, die zum Fischerdorf führte, sonst war er verloren.
Eine der Echsen lief an ihm vorbei, blieb stehen, stellte sich auf und sprang ihn an. Cesare duckte sich, kam ins Taumeln und fiel rücklings in den kalten Sand. Da war das Biest über ihm. Fauliger Atem strich über seine Wangen. Rotglühende Augen kamen näher.
„Nicht!" schrie Cesare verzweifelt, als die Klaue auf sein Gesicht zuraste. Er warf den Kopf zur Seite. Die Pranke traf seine linke Schläfe. Bewußtlos sackte er zusammen.
Der Dämonenkiller saß im Wohnzimmer in der Jugendstilvilla und langweilte sich. Er war ein hochgewachsener, sportlich wirkender Mann, dessen
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