Fremden Kind
nur eine Angewohnheit, sprach er so über das gemeinsame Zuhause mit Peter? Mit einem Kuss für Mrs Sorley, keinen für Rob, verabschiedete er sich und durchquerte den Raum, begleitet von mitfühlendem Lächeln hier und leeren verstohlenen Blicken dort.
Rob unterhielt sich noch etwas länger mit den Sorleys; Desmonds abweisende Kälte hatte ihm einen Stich versetzt, und er fühlte sich nicht in der Lage zu protestieren oder sich ihm zu erklären. Er war nicht zur Beerdigung gekommen, hatte seit 1995 eigentlich überhaupt keinen Kontakt mehr mit Desmond gehabt. Desmond machte sich nicht das Geringste aus ihm. Und jetzt, als Rob Bill Sorley zerstreut über die Schulter blickte, kam ihm der Verdacht, Desmond könnte denken, er sei heute nur gekommen, weil er ihm ein Angebot für Peters Bibliothek unterbreiten wolle – tatsächlich hatte er diese Idee im Hinterkopf erwogen, aber natürlich ging es nicht nur darum, bestimmt nicht.
Rob merkte, dass die Sorleys zwischen den vielen Fremden und namenlosen Prominenten sich ein bisschen an ihn klammerten, da sie sonst niemanden mehr hatten. Paul Bryant und Bobby brachen auf, Bobby drehte sich noch mal um und winkte ihm mit dem kleinen Finger. Sie verschwanden durch die Doppeltür, Arm in Arm für ein paar Schritte, sodass sich Rob für ihre demonstrative Zufriedenheit und Selbstgenügsamkeit schämte. »Ja, das ist wirklich komisch«, sagte er zu Bill Sorley. Bereitwillig bestritten sie den Hauptanteil des Gesprächs. Er entdeckte Jennifer vor dem weißen Marmorkamin sich angeregt mit einem Mann unterhalten, den er eine halbe Stunde zuvor hatte eintreffen sehen, auf eine Art, als wäre er unweigerlich aufgehalten worden oder als wären feste Termine, egal welche, grundsätzlich unter seiner Würde. Er hatte ein weiches, vergeistigtes Gesicht, aber ein äußerst nervöses Mie nenspiel und dichte, graue, schulterlange Haare, ungewaschen und ungezähmt, durch die er sich beim Reden unaufhörlich mit der Hand fuhr. Sein Anzug war alt und speckig, unten am Aufschlag abgewetzt, und Rob dachte, dass es wahrscheinlich nicht so einfach für ihn gewesen war, unten am Portier vorbeizukommen. Aus Jennifers Miene, die zwischen bekümmert und belustigt wankte, ließ sich nicht ablesen, ob sie erlöst werden wollte oder nicht. Mit einem bedauernden Lächeln zog Rob sich zurück. »Ich muss jetzt wirklich gehen …«
Als er auf sie zukam, sah sie auf und nickte ihm zu, als wären sie ein Paar oder hätten sich, galant und zweckdienlich, aus diesem Anlass darauf verständigt. Der Mann wandte sich zum Gehen – »Schön, dass ich dich mal wiedergesehen habe, Darling« –; kultivierte Stimme, grauenhafte Zähne, scheues Lächeln und eine Miene, als hätte er es satt, anderen Leuten auf die Nerven zu gehen.
»Gleichfalls!«, sagte Jennifer herzlich im Moment des Entkommens, aber vielleicht steckte ja auch hier mehr dahinter. »Sollen wir?«, fragte sie Rob. Und dann: »Das ist Julian Keeping.«
»Hallo.« Rob lächelte entgegenkommend, beugte sich ein Stück vor und schüttelte seine Hand, die sich knochig anfühlte.
Mit der anderen Hand wehrte Keeping ab, als wolle er sie nicht weiter belästigen. »Nur ein alter Freund von Peter, aus vergangenen Tagen«, sagte er. »Ist zu lange her!« Ein schlimmer Geruch entströmte ihm. Rob glaubte nicht, dass es Alkohol war, dieses süßsaure Gemisch, das einem die Nase zuschnürte, doch ganz sicher Zigarettenrauch, seine Fingerspitzen und Fingernägel waren gelblich verfärbt, und darüber hinaus der Mief langer und allumfassender Vernachlässigung. Rob nickte ihm noch einmal zu und folgte Jennifer zur Tür.
»Fahren Sie mit dem Taxi?«, fragte sie oben auf der Treppe, und Rob sah, was ihm bisher entgangen war: Jennifer war ziemlich betrunken. Vorsichtig stakste sie die Stufen hinunter, lächelte zaghaft, in Gedanken vielleicht noch bei dem unglücklichen Mann. Rob war munter und energiegeladen vom Alkohol und lachte etwas beschämt über das Echo, das seine Stimme im Marmortreppenhaus hervorrief. »Ob Sie es glauben oder nicht«, sagte sie, »aber das war mein erster Freund.«
»Wirklich?«, sagte Rob, der ihre Gefühle, oder das, was sie ihm davon offenbarte, noch immer nicht richtig einschätzen konnte.
»Man kann nicht gerade behaupten, dass er sich gut gehalten hat.«
»Allerdings …«
»Der Sohn von Corinna, übrigens«, sagte sie.
»Ach, wirklich?« Rob sah sie ungläubig an. »Also Ihr Cousin und – nicht, dass ich mich jetzt vertue
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