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Fremden Kind

Fremden Kind

Titel: Fremden Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Hollinghurst
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nicht zu Gesicht bekommen würde, deswegen …«
    Jennifer wollte nicht nachgeben, und Rob, der sich gut vorstellen konnte, dass beide unrecht hatten, auf ihre Art, und der keine Lust auf Streit hatte, wandte sich Bobby zu. »Und woher kannten Sie Peter?«, fragte er ihn, zog ihn zur Seite und holte sich vom Tisch ein neues Glas Wein. Er sah sich um und konstatierte erleichtert, dass es noch zweihundert andere Leute im Raum gab, mit denen er sich unterhalten konnte, wenn ihm danach war. Der Blonde schaute jetzt über die Schulter des Mannes, mit dem er zusammenstand und herumalberte, und warf Rob einen offenen unverschämten Blick zu; vermutlich dachte er, Rob würde gerade Bobby anbaggern. Bobby hatte ein breites Lächeln, kurze, schwarze, glänzende Haare und einen blinden und unerschütterlichen Glauben an die Arbeit seines Ehemannes. Seine eigene Tätigkeit in der IT-Branche tat er als »unendlich langweilig!« ab. Er erzählte Rob, dass sie in Streatham wohnten, und obwohl Paul oft in der British Library zu tun habe, komme er selten in die Stadt. Seit neun Jahren seien sie zusammen. »Und Sie?« – »Ach, ich bin hauptsächlich Single«, sagte Rob grinsend, hatte aber den Eindruck, dass Bobby ihn bedauerte. Er drehte sich um und sah Nigel Dupont auf das Buffet zueilen. »Die Frau verhält sich ziemlich aggressiv gegenüber Paul!«, sagte Bobby. »Ja …«, antwortete Rob. Bryant hatte sich schon beinahe von Jennifer abgewandt.
    »Woran ich gerade arbeite? Das möchte ich Ihnen nicht verraten«, gestand er einer Frau in schwarzem Kostüm. »Ja, es ist wieder eine Biografie. Trotzdem, alles noch streng geheim – das müssen Sie verstehen! – Ah, Nigel …«, sagte er und versetzte ihr damit geschickt einen Dämpfer.
    »Hallo, Paul!«, begrüßte Dupont ihn mit reservierter Höflichkeit, was umso merkwürdiger war, da sie eben noch zusammen auf dem Podium gestanden hatten.
    »Ihre Worte haben mir gefallen«, sagte die Frau. »Sehr bewegend.«
    »Danke …«, sagte Dupont. »Vielen Dank.«
    »Kennst du Jenny Ralph?«, fragte Bryant ihn.
    »Ah. Angenehm«, sagte Dupont herzlich und ließ damit die Möglichkeit offen, dass sie sich schon mal begegnet waren.
    »Bobby kennst du ja bereits, und …«
    »Rob Salter.«
    »Hi, Rob!« Er schüttelte ihm verbindlich die Hand und erwiderte seinen Blick.
    Rob lächelte dankbar. »Interessant, was Sie so über Ihre Schule erzählt haben und die Verbindung zur Familie Valance.«
    »Ja … lang, lang ist’s her …«
    »Dann hätten wir also hier seinen Herausgeber …«
    »… in der linken Ecke …!«, witzelte Bryant –
    »– hah – und dort seinen Biografen!«
    »Ja«, sagte Dupont wieder.
    »Eigentlich sind wir alte Freunde«, sagte Bryant und wölbte ihm kampfeslustig die Brust entgegen, als hätte er nur einen Scherz gemacht. »Es hat gut funktioniert mit uns, nicht? Wir haben uns am gleichen Thema abgearbeitet, sind aber unterschiedlich herangegangen.« Er wiegte den Kopf hin und her. »Ich hatte hier was ausgegraben, und der gute Nigel da was gefunden.«
    »Ja, wir haben uns ganz gut ergänzt«, meinte Dupont in einem Ton, der besagte, dass er nicht nachtragend war und die ganze Geschichte auch schon sehr lange her. Von heute aus betrachtet, schien die Arbeit an dem Valance-Projekt wie ein fernes Prolegomenon auf weit sensationellere Erfolge.
    »Ich habe dich immerhin auf das Trickett-Manuskript gestoßen«, drohte Bryant ihm mit dem Finger.
    »Das stimmt … Wenn du wenigstens auch noch die verschollenen Gedichte aufgespürt hättest …«, sagte Dupont mit einem schelmischen Kopfschütteln.
    »Ach, die sind für immer verschwunden, glaubst du nicht? Die hat Louisa bestimmt verbrannt – falls sie überhaupt je existiert haben!«
    »Was hat es mit diesem Trickett-Manuskript auf sich?«, fragte Rob, der bei dem Gespräch über Handschriften und verschollene Gedichte hellhörig wurde.
    Dupont, den Rob in einer glatten Umkehr seines Vorurteils mit einem Mal charmant, sogar sexy fand, hielt kurz inne, bevor er in eine akademische Ausdrucksweise verfiel: »Das Trickett-Manuskript war der unveröffentlichte Teil eines Gedichts von Cecil Valance, das man als eine Art frühes Manifest der Queer Theory bezeichnen könnte, nur eben in zweizeiligen Tetrametern.«
    »Tatsächlich?«
    »1913 verfasst, höchst interessant …«
    »Gegen eine Sache in deinem Beitrag muss ich doch Widerspruch anmelden«, sagte Bryant.
    »Oh Gott, was kommt jetzt?«, schreckte Dupont affektiert

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