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Fremdes Licht

Fremdes Licht

Titel: Fremdes Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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dem Leib«, riet
Karim.
    Sie waren schon an der Tür, als Ayrid sagte: »Ondur,
Karim… danke, ihr wart sehr lieb zu mir. Manchmal hab ich das
Gefühl, daß es in R’Frow zuwenig… na ja, ihr
wißt schon. Ich danke euch.«
    Ein Schatten huschte über Ondurs Gesicht, und einen winzigen
Moment lang war der Gram zu sehen, den diese Frau durch ihre
Munterkeit überspielte – ein Gram, vor dem sie aus Delysia
geflohen war, fest entschlossen, ihn aus ihrem Herzen zu
verbannen.
    Ondur zwang sich zu einem Lächeln und löschte das
Licht…
    Ayrid hielt sich die Augen zu. Der züngelnde Schmerz in ihrem
Bein begann zu lodern. War das Betäubungsmittel noch in ihrem
Blut? Wenn es aufgezehrt war, ob sie dann den Schmerz noch
aushielt?
    Zeitlebens ein Krüppel…
    Als sie die Augen öffnete, starrte sie der glühende
Kreis aus dem Halbdunkel an. Wie Fische im seichten Wasser huschten
ihr die Gedanken durch den Kopf: Hatte das auch damit zu tun,
daß die Betäubung nachließ? Dieser wüste Haufen
von Sachen da am Boden – die Drähte, Prismen, Zellen,
Stabmagnete – alles sah so unwirklich aus in dem schummrigen
Licht.
    Licht. R’Frow lag im Sterben, weil es nicht genug Licht
bekam. Die Graue Mauer und die Kuppel verbannten Himmel und
Kälte aus R’Frow; in diesem Gehäuse war R’Frow
entstanden, in diesem Gefängnis würde R’Frow
sterben.
    Licht . Das Wort fand ein Echo… aber der Schmerz raubte
ihr die Erinnerung.
    Die Geds hatten R’Frow erschaffen. Die Geds, die in ihren
Helmen – ohne Drähte – auf irgend etwas lauschten. Auf
was? Und wie sollte irgendein Ton ohne Drähte in die Helme
gelangen? Die Vorstellung war schwindelerregend. Gab es irgend etwas,
was die Geds nicht konnten, was sie nicht wußten? Sie lauschten… Und da war ein Geschnatter von Stimmen,
die ihr keine Ruhe ließen: Woher hatten die Geds von dem
ersten Mord in R’Frow gewußt, wenn sie allesamt die ganze
Nacht über in der Stadtmauer gewesen waren? Woher hatte Grax
gewußt, daß der riesige Barbar inzwischen so krank
geworden war, daß er weder stehen noch gehen konnte und
getragen werden mußte? Als der Riese die Unterrichtshalle
verlassen hatte, war er noch auf den Beinen gewesen; da war niemand
gewesen, der Grax hätte mitteilen können, wie rasch
sich der Zustand des Riesen verschlechterte; nur sie und SaSa hatten
das gewußt, und sie hatten nicht mal darüber gesprochen,
weil SaSa so versessen gewesen war auf Stille… Nicht einmal
durch Lauschen hätte Grax davon erfahren
können…
    Gab es irgend etwas, das die Geds nicht konnten?…
    Der glühende Kreis starrte sie an.
    Ayrids Blick wanderte von dem Kreis an der Wand zu dem Gewirr aus
Prismen und Elektromagneten am Boden und wieder zu dem glühenden
Kreis und wieder zu den Prismen. Hin und her…
    Wenn sie rechts und links von ihrem Lager die Hände flach auf
den Boden legte, dann konnte sie sich in eine sitzende Position
stemmen. Sie nahm den wild lodernden Schmerz kaum wahr, als sie sich
Stückchen um Stückchen mit den Kissen zur Wand schob.
    Der orangefarbene Kreis und die Wand waren zu einem nahtlosen
Ganzen verschmolzen, obwohl es sich um verschiedene Sorten von Wroff
handelte. Es gab keine erhabene Stelle, an der man ein Messer
hätte ansetzen können, keine Möglichkeit
herauszufinden, was sich dahinter verbarg. Ayrid legte ihre
Handfläche auf den Kreis; ein schwacher orangeroter Schein drang
durch die Hand.
    Nichts, was die Geds nicht konnten.
    Überall glühende Kreise, in ganz R’Frow, in jeder
Halle, jedem Korridor, jedem Zimmer und außen an der
Unterrichtshalle. Die Kreise neben den Leitern waren
größer und traten aus den Wänden heraus, damit sie
nach allen Seiten blicken konnten, damit ihnen nichts entging. Und in
den Zimmern beobachteten sie SaSa und den Riesen, Ondur und Karim,
sie und Kelovar, ob die Menschen nackt waren oder nicht…
    Vor Wut und Schmerz mit den Zähnen knirschend schob sie sich
an einen Haufen von Gegenständen heran. Die glühenden
Kreise in den Zimmern traten nicht aus der Wand heraus. Da half nur
eins: ein Stück Stoff solange zu falten, bis kein Schimmer mehr
durchdrang, und es dann über den Kreis kleben, und zwar mit dem
klebrigen Sirup, den sie eigens aus Pflanzenstengeln gepreßt
hatte. Sie hatte sich vorgenommen, einen Tropfen davon mit dem
Vergrößerungsgerät von Grax zu betrachten, war aber
noch nicht dazu gekommen.
    Und die Geds hatten nie ein Wort gesagt. Nie. Wie sehen wir
aus für sie, wenn wir essen und baden und

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