Fremdes Licht
und der in diesem Zimmer in R’Frow, wo sie
mit einem brennenden Bein auf den Bodenkissen lag und ein
ausgemusterter Krieger aus solcher Höhe auf sie herabstarrte,
daß ihr plötzlich schwindlig wurde, schwindlig und
übel. Sie starrte hilflos zu ihm empor, mit geweiteten Augen,
aufgewühlt durch die Erinnerung an Embri.
»Hier in R’Frow – hab ich noch nie über sie
gesprochen. Noch nie«, flüsterte sie und fand eben noch
Zeit, den Kopf zu drehen, bevor sie sich übergab – der
Strahl war dünn und dunkel vom Rest des Pflanzensafts, der
Brechreiz hielt an, und das trockene Würgen erstickte den
rasenden Schmerz in ihrem Bein.
Wo andere zurückscheuen, da kümmert sich ein Heiler. Er
kniete an ihrem Lager, bot ihr Halt an seinem Handgelenk, und als der
Brechreiz vorüber war, da bettete er sie wieder auf die Kissen;
aber sie ließ sein Handgelenk nicht los.
»Wer ist Embri?« fragte er vorsichtig.
Ayrid schloß die Augen. »Meine Tochter. Meine Tochter
in… Delysia.«
Er schwieg eine Zeitlang, dann fragte er: »Warum hast du sie
alleingelassen?«
»Ich mußte. Man hat mich aus der Stadt
verbannt.«
»Warum?«
»Weil ich einen Zimmerschmuck aus Glas gemacht habe. Eine
Doppelhelix in Blau und Rot. Das Symbol der jelitischen
Kriegerpriester.«
Sie spürte, wie sich sein Handgelenk versteifte, aber so
abgekämpft und schlapp, wie sie war, ließ sie die Augen
geschlossen und redete weiter. »Ich habe das gemacht, weil ich
es schön fand. Nicht, weil es etwas Jelitisches war. Es macht
sich so herrlich in farbigem Glas, du hättest es sehn sollen. Es
sah wunderschön aus. Und ist das nicht lustig, Dahar? Weil ich
das Symbol der Kriegerpriester so schön fand, hat man mich aus
Delysia nach R’Frow verbannt, wo ein verbannter Kriegerpriester
sein Leben riskiert, um mich zu heilen, weil ich eine Delysierin
bin.«
Vor dem Echo ihrer Worte schwamm ein glasklarer Gedanke vorbei: Hörst du, wie der Saft redet? Du hast ihn immer noch im Blut. Sie schlug die Augen auf.
Sie sahen einander an.
Dahar sagte: »Ich bin nicht gekommen, weil du eine Delysierin
bist.«
»Doch«, erwiderte Ayrid. »Das bist du.«
Dahar sah auf ihre Hand hinunter, die immer noch sein Handgelenk
hielt. Im Laufe der Zehnzyklen waren die Narben an Ayrids Daumen
weiß geworden; lauter lange, feine Hautwülste, einer neben
dem anderen.
»Ja«, sagte Dahar schließlich. »Du hast
recht.«
Ayrid fror, sie kam sich mit einemmal betrogen vor. Doch der
unverhohlene Gram in seiner Stimme erstickte ihren Zorn. Schwer zu
sagen, was Gram für einen Krieger bedeutete. Und Dahar
war Krieger. Gewesen. Jetzt, da sich die merkwürdigen Wirkungen
des Pflanzensaftes verloren, kam Ayrid erst richtig zu
Bewußtsein, wie merkwürdig diese Situation
tatsächlich war. Ihr Bein schmerzte und pochte. Dahar sah zur
Seite, die Backenknochen zeichneten sich scharf ab, die Haut sah welk
aus.
Doch dann sah er ihr offen ins Gesicht. »Aber ich lag falsch.
Du bist nämlich keine Delysierin.«
Sie runzelte die Stirn, verstand nicht.
»Schon lange nicht mehr. Delysia hat dich verbannt. Die
Delysier haben nicht begriffen, warum du diesen Glasschmuck gemacht
hast, sie begreifen auch nicht, was uns die Geds beibringen wollen
– genausowenig wie die Jeliten. Genausowenig.«
Er sah sich im Zimmer um, und sie ließ sein Handgelenk
fahren, als er aufstand. Er betrachtete das heillose Durcheinander am
Boden, als fiele ihm das alles erst jetzt auf. Er bückte sich
nach der Vorrichtung, die Ayrid zusammengebastelt hatte, und hob sie
mit beiden Händen vom Boden. »Was ist das?«
»Zum Wärmen. Für Jäger in der Savanne oder
für Babies, die bei Drittnacht zur Welt kommen.«
Ayrid sah ihm zu, wie er die Apparatur eingehend musterte.
»Grax hat dir erklärt, wie man das baut?«
»Nein. Ich hab mir das aus dem Unterricht
zusammengereimt.«
Er stellte die Apparatur zurück und brauste auf: »Da
siehst du, was die Geds für Quom bedeuten könnten. Nicht
Spielzeug, nicht Waffen, nicht Edelsteine – Wissenschaft. Dinge, die ohne die Geds für immer im dunkeln bleiben.
Dinge, von denen wir uns nichts träumen lassen… Warum
können die das nicht begreifen? Belasir, Khalid, Ischak –
sie sind nicht auf den Kopf gefallen, warum also wollen sie das nicht
kapieren? Nichts, was wir in Jela haben – oder in Delysia –
kann den Geds das Wasser reichen. Nichts, was je auf Quom passiert
ist, ist so bedeutsam wie der Besuch der Geds – nichts. Wir sind hier in R’Frow. Wir sind
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