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French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sterbenskalt
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Fensterrahmen und
beobachtete mich, die Augen halb zusammengekniffen.
    »Ein
andermal, falls du ein braver Junge bist.« Ich fischte meine
Chirurgenhandschuhe aus der Jackentasche und streifte sie über. Dad lachte los,
ein tiefes, gehässiges Schnarren. Es ging in einen hilflosen Hustenanfall über,
der seinen ganzen Sessel erzittern ließ.
    Shays
Schraubenzieher lag auf dem Boden neben dem Koffer. Ich kniete mich hin und
hob damit den Deckel an. Zwei von den Jungs bei der Kriminaltechnik schuldeten
mir noch einen Gefallen, und von ihren hübschen Kolleginnen standen ein paar
auf mich. Irgendwer von ihnen würde bestimmt ein paar heimliche Tests für mich
machen, aber sie würden es begrüßen, wenn ich die Spurenlage nicht unnötig
verkomplizierte.
    Der Koffer
war randvoll mit einem dicken Wust aus Stoff, schwarzfleckig von Schimmel und
halb vermodert. Ein dumpfer, starker Geruch, wie nasse Erde, stieg von ihm
auf. Das war die Unternote, die ich in der Luft wahrgenommen hatte, als ich
hereinkam.
    Ich hob
die Sachen langsam nacheinander heraus und stapelte sie auf dem Deckel, wo sie
nicht kontaminiert würden. Eine ausgebeulte Bluejeans mit aufgenähten karierten
Knieflicken. Ein grüner Wollpullover. Eine Jeans mit Reißverschlüssen an den
Knöcheln, weil sie so eng war, und, Allmächtiger, die kannte ich, der Schwung
von Rosies Hüften darin traf mich wie ein Schlag in die Magengrube. Ich machte
weiter, ohne auch nur zu blinzeln. Ein kragenloses Männerflanellhemd, das
einmal cremefarben gewesen war, mit feinen blauen Streifen. Sechs weiße
Baumwollschlüpfer. Eine lange lila Bluse mit blauem Paisleymuster, die sich
langsam auflöste, und als ich sie anhob, fiel die Geburtsurkunde heraus.
    »Da«,
sagte Jackie. Sie beugte sich über die Armlehne des Sofas und starrte mich
ängstlich an. »Siehst du? Bis dahin dachten wir noch, es wäre nichts
Besonderes, keine Ahnung, irgendein Unfug von Jugendlichen, oder dass
vielleicht jemand Klamotten geklaut hat und die Sachen verstecken musste, oder
vielleicht irgend so eine arme Frau, die von ihrem Typen misshandelt wurde und
ihren gepackten Koffer parat haben wollte, wenn sie irgendwann den Mut hätte,
ihn zu verlassen, ich meine, das wird doch in den Zeitschriften so empfohlen,
oder?« Sie redete sich langsam wieder in Fahrt.
    Rose
Bernadette Daly, geboren 30. Juli 1966. Das Papier fiel schon fast
auseinander. »Tja«, sagte ich, »für jugendlichen Unfug ist das ein bisschen zu
gründlich.«
    Ein
U2-T-Shirt, vermutlich einige Hundert wert, wenn es nicht mit Stockflecken
gesprenkelt gewesen wäre. Ein blauweiß gestreiftes T-Shirt. Eine schwarze
Männerweste; damals war gerade der Annie-Hall-Look angesagt. Ein lila Wollpullover.
Ein hellblauer Rosenkranz aus Plastik. Zwei weiße Baumwoll-BHs. Ein
No-Name-Walkman, für den ich monatelang gespart hatte. Die letzten beiden Pfund
verdiente ich mir eine Woche vor ihrem achtzehnten Geburtstag, indem ich Beaker
Murray half, auf dem Iveagh Market raubkopierte Videos zu verkaufen. Eine Spraydose
Sure-Deo. Ein Dutzend selbstaufgenommene Kassetten, und ich konnte ihre runde
Schrift noch immer auf einigen Hüllen lesen: REM, Murmur; U2, Boy; Thin
Lizzy, Boomtown Rats, Stranglers, Nick Cave and the Bad Seeds. Rosie konnte
alles andere zurücklassen, aber ihre Plattensammlung kam mit.
    Unten im
Koffer lag ein brauner Umschlag. Die Stücke Papier darin waren von zwanzig
Jahren Feuchtigkeit zu einem einzigen Klumpen zermatscht worden. Als ich
vorsichtig am Rand zupfte, löste er sich auf wie nasses Klopapier. Noch ein
Gefallen, den ich bei der Kriminaltechnik einfordern würde. Einige gedruckte
Wörter waren durch das Plastikfenster vorn auf dem Briefumschlag noch
verschwommen zu erkennen.
    ...
LAOGHAIRE - HOLYHEAD ... ABFAHRT ... .30 UHR ... Wo immer
Rosie hin war, unsere Fahrkarten für die Fähre hatte sie dafür nicht gebraucht.
    Alle
blickten mich an. Kevin wirkte ehrlich bestürzt. »Tja«, sagte ich. »Das scheint
tatsächlich Rosie Dalys Koffer zu sein.« Ich fing an, Sachen vom Deckel zurück
in den Koffer zu packen, wobei ich die Papiere erst am Schluss dazulegte,
damit sie nicht zerdrückt wurden.
    »Rufen wir
die Polizei?«, fragte Carmel. Dad räusperte sich dramatisch, als wollte er
ausspucken. Ma warf ihm einen bösen Blick zu.
    Ich
fragte: »Und was sollen wir denen sagen?«
    Offensichtlich
hatte niemand darüber nachgedacht. »Irgendwer hat vor rund zwanzig Jahren
einen Koffer in einem Kamin versteckt«, sagte ich.

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