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French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sterbenskalt
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zu holen?«
    Ein leises
Fauchen, das ein Lachen gewesen sein könnte, als Shay Rauch durch die Zähne
blies. »Das ist ein Haufen Scheiße. Das weiß er genauso gut wie ich.«
    Carmel
schlug ihm aufs Knie. »Nicht solche Ausdrücke!« Shay rührte sich nicht. »Was
meinst du damit? Wieso soll das ein Haufen Scheiße sein?« Er zuckte die
Achseln.
    »Ich bin
mir mit gar nichts sicher«, sagte ich. »Aber ja, ich halte es für gut möglich,
dass sie rüber nach England ist und dort jetzt glücklich und zufrieden lebt.«
    Shay
sagte: »Ohne Fahrkarten für die Fähre und ohne Papiere?«
    »Sie hatte
Geld gespart. Wenn sie die Fahrkarten nicht mehr holen konnte, hätte sie sich
eine neue kaufen können. Und damals brauchte man für England keine Papiere.«
Was alles durchaus stimmte. Wir wollten unsere Geburtsurkunden mitnehmen, weil
wir wussten, dass wir vielleicht Sozialhilfe brauchen würden, solange wir
keinen Job hätten, und weil wir heiraten wollten.
    Jackie
fragte leise: »War es denn trotzdem richtig, dass ich dich angerufen habe? Oder
hätte ich ...«
    Die Luft
wurde schwerer. »Dich einfach in Ruhe lassen sollen«, sagte Shay.
    »Nein«,
sagte ich. »Das hast du völlig richtig gemacht, Kleines. Deine Instinkte sind
Gold wert, weißt du das?«
    Jackie
streckte die Beine aus und musterte ihre Stöckelschuhe. Ich konnte nur ihren
Hinterkopf sehen. »Kann sein«, sagte sie.
    Wir saßen
eine Weile da und rauchten. Der Geruch nach Malz und gebranntem Hopfen war
verschwunden. In den Neunzigern hat Guinness einiges für die Umwelt getan, deshalb
riecht es heute in den Liberties nach Dieselabgasen, was anscheinend eine
Verbesserung ist. Motten drehten Loopings um die Straßenlaterne am Ende der
Straße. Irgendwer hatte das Seil abgenommen, das früher an die Spitze gebunden
war, damit Kinder daran schaukeln konnten.
    Es gab
eine Sache, die ich wissen wollte. »Dad sieht ganz gut aus«, sagte ich.
    Schweigen.
Kevin zuckte die Achseln.
    »Sein
Rücken macht ihm Ärger«, sagte Carmel. »Hat Jackie dir ...?«
    »Sie hat
mir erzählt, dass er Probleme damit hat. Es geht ihm besser, als ich erwartet
hatte.«
    Sie seufzte.
»Er hat gute Tage und schlechte Tage, weißt du. Heute ist ein guter Tag, da
geht's ihm einigermaßen. An schlechten Tagen ...«
    Shay zog
an seiner Zigarette. Er hielt sie noch immer zwischen Daumen und Zeigefinger,
wie ein Gangster in alten Filmen. Er sagte tonlos: »An schlechten Tagen muss
ich ihn aufs Klo tragen.«
    Ich
fragte: »Weiß man, was er hat?«
    »Nee.
Vielleicht irgendwas, was er sich bei der Arbeit geholt hat, vielleicht ... Sie
kommen nicht dahinter. Jedenfalls, es wird immer schlimmer.«
    »Hat er
mit dem Saufen aufgehört?«
    Shay
sagte: »Was interessiert dich das?«
    Ich sagte:
»Hat Dad mit dem Saufen aufgehört?«
    Carmel
schaltete sich ein. »Ach, na ja, er hat's im Griff.«
    Shay
lachte, ein jähes Bellen.
    »Behandelt
er Ma anständig?«
    Shay
sagte: »Das geht dich einen Scheißdreck an.«
    Die
anderen drei hielten den Atem an und warteten ab, ob wir aufeinander losgehen
würden. Als ich zwölf war, hat Shay mir eine Platzwunde verpasst, als er mich
mit dem Kopf auf eine von diesen Stufen knallte. Die Narbe hab ich heute noch.
Nicht lange danach war ich dann größer als er. Auch er hat Narben.
    Ich drehte
mich betont langsam zu ihm um. »Ich hab dir eine höfliche Frage gestellt«,
sagte ich.
    »Die du in
zwanzig Jahren kein einziges Mal gestellt hast.«
    »Er hat mich gefragt«,
sagte Jackie leise. »Oft genug.«
    Im
Halbdunkel starrten wir einander herausfordernd an. Ich machte mich bereit,
meine Zigarette rasch wegzuwerfen.
    »Wenn ich
nein sage«, sagte Shay, »ziehst du dann aus deiner poshen Singlewohnung zu uns,
um auf Ma aufzupassen?«
    »In die
Wohnung unter dir? Ach, Shay. Vermisst du mich so sehr?«
    Ein
Fenster wurde aufgerissen, und Ma rief nach unten: »Francis! Kevin! Kommt ihr
jetzt rein oder nicht?«
    »Noch fünf
Minuten!«, brüllten wir alle zurück. Jackie lachte, ein hoher, nervöser kleiner
Laut: »Hör sich uns einer an ...«
    Ma knallte
das Fenster zu. Nach einer Sekunde lehnte Shay sich zurück und spuckte durch
das Geländer. Sobald seine Augen von mir wegglitten, entspannten sich alle.
    »Ich muss
sowieso los«, sagte Carmel. »Ashley will ihre Mammy zu Hause haben, wenn sie
ins Bett geht. Mit Trevor begnügt sie sich nicht, macht bei ihm immer ein
Riesentamtam. Sie findet das lustig.«
    Kevin
fragte: »Wie kommst du nach Hause?«
    »Ich hab
den

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