Frevel: Roman (German Edition)
ist.«
»Um sich die Loyalität ihrer Freunde zu sichern?«, schlage ich vor. »Oder um ihre Kuriere zu bezahlen?«
»Ganz genau, Bruno! Den ganzen Sommer lang habe ich daran gearbeitet, die beiden Königinnen zu einem Punkt zu bringen, wo sie bereit sind, von Angesicht zu Angesicht miteinander zu reden und vielleicht einen Friedensvertrag auszuhandeln. Königin Elisabeth täte nichts lieber, als ihre Base Maria freizulassen, vorausgesetzt, sie gibt alle Ansprüche auf den englischen Thron auf. Und was Maria betrifft, so glaube ich, dass sie ihrer Gefangenschaft überdrüssig und daher bereit ist, fast alles zu schwören, was man von ihr verlangt. Deswegen beunruhigt mich dieser Strom von Briefen und Geschenken von ihren Anhängern in Frankreich ja auch so, der über die Botschaft zu ihr geleitet wird. Treibt sie ein doppeltes Spiel mit mir?« Er funkelt mich an, als erwarte er eine Antwort von mir, aber bevor ich den Mund öffnen kann, fährt er wie im Selbstgespräch fort:
»Und wer sind diese Kuriere? Ich lasse die diplomatische Post jede Woche abfangen und durchsuchen – sie muss eine andere Möglichkeit haben, ihre privaten Briefe zu verschicken.« Er schüttelt nachdrücklich den Kopf. »Solange Maria Stuart am Leben ist, stellt sie das Banner dar, unter dem sich Englands Katholiken und all jene in Europa versammeln, die wieder einen papistischen Herrscher auf unserem Thron sehen möchten. Aber Ihre Majestät wird nie aus bloßen Gründen der Vorsicht gegen ihre Base vorgehen, auch wenn der Kronrat sie drängt, der Gefahr ins Auge zu blicken. Deswegen ist Eure Anwesenheit in der Französischen Botschaft für mich wichtiger denn je, Bruno. Ich muss jegliche schriftliche Kommunikation zwischen Maria und Frankreich sehen, die durch Castelnaus Hände geht. Wenn sie wieder Komplotte gegen die Königin schmiedet, brauche ich diesmal hieb- und stichfeste Beweise, die sie belasten. Könnt Ihr mir die verschaffen?«
»Ich habe mich mit dem Sekretär des Botschafters angefreundet, Euer Gnaden. Für einen angemessenen Preis kann er uns Zugang zu jedem Brief verschaffen, den Castelnau schreibt oder erhält, wenn Ihr ihm zusichert, dass den Dokumenten hinterher nichts anzusehen ist. Er hat große Angst, entdeckt zu werden – er möchte, dass Ihr ihm Euren Schutz gewährt.«
»Ein guter Mann. Sichert ihm alles zu, was er wünscht.« Er umfasst für einen Augenblick meine Schulter. »Wenn er uns ein Siegel des Botschafters beschaffen kann, lasse ich Thomas Phelippes ein Duplikat davon anfertigen. Kein Mann in England ist in diesen Dingen so bewandert wie er. Angesichts der Umstände, Bruno, halte ich es übrigens für ratsam, dass Ihr nicht so oft mit Sidney gesehen werdet«, fügt er hinzu. »Nicht jetzt, wo er mein Schwiegersohn ist. Castelnau darf keinen Moment lang an Euer Loyalität gegenüber Frankreich zweifeln.«
Sogar im Dunkeln muss mein Gesicht meine Enttäuschung verraten haben. Sidney ist der einzige Mensch, den ich in England wirklich als Freund betrachte. Wir haben uns vor Jahren während meiner Flucht durch Italien in Padua kennen gelernt und unsere Freundschaft im Frühjahr aufgefrischt, als wir in Walsinghams Auftrag nach Oxford gereist waren. Die Abenteuer, die wir dort erlebt hatten, haben uns einander nur noch nähergebracht. Ohne seine Gesellschaft werde ich mir meines Exils nur noch schmerzlicher bewusst sein.
»Aber ich habe einen anderen Kontaktmann für Euch gefunden, einen Schotten namens William Fowler – Ihr werdet ihn zu gegebener Zeit kennen lernen. Er ist ein Anwalt, der für mich in Frankreich gearbeitet hat, Ihr werdet also viel Gesprächsstoff finden.«
»Ihr traut einem Anwalt, Euer Gnaden?«
»Ihr wirkt belustigt, Bruno. Anwälte, Philosophen, Priester, Soldaten, Kaufleute – es gibt niemanden, der mir nicht auf irgendeine Weise nützlich sein kann. Fowler hat gute Verbindungen in Schottland, sowohl unter unseren Freunden als auch unter denen, die der schottischen Königin die Treue halten und glauben, er stünde auf ihrer Seite. Er hat sich auch bei Castelnau eingeschmeichelt, der Fowler für einen heimlichen Katholiken hält, der mit der Herrschaft Ihrer Majestät unzufrieden ist. Er hat die Gabe, in jede beliebige Rolle schlüpfen zu können, die gerade erforderlich ist. Fowler ist hervorragend geeignet, um Eure Berichte aus der Botschaft zu schmuggeln, ohne Euch zu kompromittieren.« Er hält inne und hebt den Kopf. Musik und Gelächter wehen vom Haus her schwach zu uns
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