Fridolin zieht nach Berlin
hinfahren?“
„Ach, Großer“, seufzte Hannes und setzte sich in seinem Sessel auf, „das wären jeden Tag zwei Stunden Autofahrt. Das können wir uns nicht leisten. Benzin ist teuer.“
„Ich will hier nicht weg“, sagte Oliver kleinlaut und sein Kinn begann zu zittern.
„Ich auch nicht“, weinte Anna.
Weg? Von hier? Aus Bömsen?
Fridolin, der sich neben den Sessel von Hannes gesetzt hatte, versuchte, das eben geführte Gespräch zu verstehen. Was sollte das eigentlich heißen – weg? Fridolin versuchte, es sich zu erklären, aber es gelang ihm nicht.
Und während er sich den Kopf zerbrach, was er mit diesen Antworten anfangen sollte, erhob Hannes noch einmal die Stimme und versuchte, einen Kompromiss zu schließen, mit dem seine Familie einverstanden sein konnte: „Anna, Oliver. Mama und ich haben es uns hin und her überlegt, wirklich. Wir haben alles Menschenmögliche getan.“
„Dann war das nicht genug“, schluchzte Anna wieder und wischte sich über die geröteten Augen.
„Doch, das war es, mein Engel, das war es. Aber wir sind zu dem Entschluss gekommen, dass ich den neuen Job in der Werbeagentur gut gebrauchen kann. Ich habe ein halbes Jahr Probezeit. Ein halbes Jahr. Wenn mir der Job nicht gefällt, brauche ich meinen Vertrag nicht verlängern. Versteht ihr? Dann können wir sofort wieder hierher ziehen.“
Fridolin fand, dass das ein ganz guter Plan war. Hannes brauchte der Job nur nicht zu gefallen und schon war alles geritzt. Was machte es dann schon aus, wenn er dafür ein halbes Jahr in Berlin verbringen musste? Fridolin fand, dass Hannes eine gute Idee gehabt hatte und ließ sich deswegen schnaufend auf den Bauch fallen.
„Zurück in das Haus hier?“, fragte Anna hoffnungsvoll.
„Nein, das Haus wird anderweitig vermietet, das haben wir mit den Orlowskis schon abgesprochen.“
„Dann ist ja alles weg“, jammerte Anna und vergrub ihr Gesicht wieder an der Schulter ihrer Mutter.
„Das ist das einzige Angebot, das ich euch machen kann“, seufzte Hannes.
„Und was ist, wenn dir der Job gefällt?“, wollte Oliver wissen.
„Dann bleiben wir in Berlin.“
Und jetzt begriff Fridolin, was wirklich passiert war.
Aufbruch in eine neue Stadt
Was in den letzten zwei Wochen genau geschehen war, bevor die Familie Wagner nach Berlin zog? Fridolin konnte es nicht sagen.
Er wusste nur, dass Anna ausgesprochen traurig war und dass sie kaum noch etwas für ihn vom Tisch abfallen ließ. Sie war so traurig und in sich gekehrt, dass Fridolin sich langsam richtig Sorgen um sie machte. Er versuchte zwar immer, sie aufzumuntern, stupste sie mit seiner Schnauze an und sprang auf ihren Schoß, damit sie beide kuscheln konnten. Aber alles ohne Erfolg. Anna schob ihn meistens einfach beiseite, weil sie alleine sein wollte.
Oliver erging es nicht anders, obwohl er den Schreck, umziehen zu müssen, schneller verarbeitet hatte als Anna. Er war nur gut eine Woche traurig gewesen. Dann aber hatte ihn Fridolin schon wieder mit seinen Fußballfreunden scherzen und lachen hören.
„In Berlin werde ich auch Fußball spielen“, hatte er gesagt und war dann mit seinem besten Freund davongezogen, um die Mädchen zu ärgern, wie er sagte. Auch wenn Fridolin nicht wusste, was Oliver genau damit meinte, hatte er doch seine Vorstellung. Denn seit einiger Zeit redete Oliver immer wieder von Mädchen und davon, dass man sie ärgern musste. Ärgern war wohl so zu verstehen, dass man ohne Vorwarnung Mädchen anrempelte, ihnen die Zunge herausstreckte und sich dann doch freute, dass sie einem hinterher jagten und einen nassen, feuchten Kuss auf die Wange drückten.
Was das genau sollte, konnte Fridolin nicht sagen. Aber er fand es immer sehr lustig und spielte auch gelegentlich mit. Nur wenn er ein Mädchen bellend in die Ecke drängte, bekam er dafür kein Küsschen. Meistens herrschte Oliver ihn dann nur an, dass er das Mädchen in Ruhe lassen sollte.
Na ja, später aber kraulte Oliver ihn dann doch hinter dem Ohr und sagte ihm, dass er der Beste sei.
So vergingen die Tage ereignislos und doch voller Spannung, wie Fridolin fand. Nicht nur, dass die Familie ihre ganzen Sachen zusammenpackte, nein, auch die beiden tierischen Mitbewohner von Fridolin begannen, sich für die Dinge zu interessieren, die um sie herum geschahen.
Mizie, die faule, gefräßige und zur Schwermut neigende Katze der Familie, redete jetzt sogar manchmal mit Fridolin. Einmal wollte sie wissen, was er davon hielt, nach
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