Fridolin zieht nach Berlin
Ein richtig schöner Tag
Die Sonne stand hoch am Himmel. Sie strahlte über die Felder und Wiesen, schimmerte sanft auf dem in der Ferne liegenden See, der wie ein kleiner, runder Kristall wirkte, wenn man ihn aus der Luft betrachtete.
Es war eine ausgelassene Stimmung, die alle erfasst hatte. Egal ob es die Mädchen bei den Pferden auf der Weide waren oder die laut krakeelenden Jungen, die unten am See im Wasser tobten und sich balgten. Selbst die Erwachsenen, die am Radio saßen und Fußball hörten, machten einen ausgesprochen entspannten und ruhigen Eindruck.
Die Straße, die direkt zum Kindergarten und zur Grundschule führte und sonst nur zu den Morgen- und Mittagsstunden stark befahren war, wurde an diesem Tag kaum genutzt. Einige Kinder spielten Hockey auf dem Asphalt und hatten sich sogar Tore aufgebaut.
Alles war so ruhig, so entspannt und friedlich, dass nur das Läuten des Eisverkäufers die sommerliche Stille zerfasern ließ wie ein Windhauch den aus einem Grill aufsteigenden Rauch. Kinder und Erwachsene gleichermaßen schnappten sich ihr Taschengeld oder ihre Geldbeutel und eilten zu dem immer freundlich lächelnden Luigi, der seit Jahren hier in dem kleinen Ort seine Runden drehte und im Sommer sein Eis auch vom Wagen aus verkaufte. Natürlich kannte jeder in Bömsen den schlanken, hochgewachsenen Luigi Bartatolli und jeder liebte sein leckeres, selbst hergestelltes Eis. Es war ein Genuss, wie einige der Menschen aus Bömsen sagten, und sie hätten sich in Luigis Schoko-, Vanille-, Erdbeer- oder Waldmeistereis geradezu hineinlegen können.
Na ja, bei diesen Ausschweifungen hatte Fridolin, der Mischlingsrüde und Held unserer Geschichte, mehr als nur einmal innerlich den Kopf geschüttelt und sich vorgestellt, wie es wohl aussehen würde, wenn die Menschen in Eis schwammen. Fridolin fand, dass die Menschen schon beim Baden im See reichlich albern aussahen: nur den Kopf über der Wasseroberfläche und immer darum bemüht, nicht unterzugehen.
Und während Fridolin in der Sonne inmitten des Gartens lag und ebenso wie die Menschen die Wärme genoss, beobachtete er die an „seinem“ Grundstück vorbeiziehenden Menschen. Einige hatten sich bei Luigi Eis gekauft, redeten, während sie immer wieder von ihrem Eis leckten, und lachten dabei so herzhaft, dass man wirklich nicht daran glauben wollte, dass an diesem Tag etwas Außergewöhnliches passieren konnte.
Ja, selbst Fridolin glaubte nicht daran, dass heute etwas geschehen könnte, das sein ruhiges und bedachtes Leben durcheinanderwirbeln würde. Nein, er war so zufrieden mit sich und seiner Welt, dass er nur den Kopf hob, als er Anna lachen hörte.
Ach ja, seine Anna. Fridolin mochte Anna sehr. Das schwarzhaarige Mädchen mit den braunen Augen war etwas ganz Besonderes, wie er fand. Anna war es, die ihn nachts in ihr Bett klettern ließ, wenn er wieder einmal aufwachte und sich vor der Dunkelheit fürchtete. Anna war es auch, die ihm beim Abendbrot immer die eine oder andere Wurstscheibe reichte, damit er nicht solch schrecklichen Hunger leiden musste.
Nicht dass Fridolin bei den Wagners irgendwann einmal Hunger gelitten hätte. Aber abends, wenn die ganze Familie zusammensaß, sich ihr Essen zubereitete, sich unterhielt und miteinander scherzte, diskutierte oder manchmal auch stritt, konnte Fridolin sich an der Wurst, dem Käse und den ganzen leckeren Brotaufstrichen nicht sattsehen. Er bekam dann ein solch großes Verlangen, wie es nur ein Hund bekommen konnte, der der das Essen so liebte wie Fridolin. Für ihn gab es beinahe nichts Schöneres, als vor seinem Fressnapf zu stehen und darauf zu warten, dass Mama Claudia Wagner ihm frische Fleischbrocken aus der Dose servierte.
Fridolin, der sich auf den Rücken drehte, um sich die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen, blickte nun kopfüber zu Anna und sah, dass auch sie sich ein Eis geholt hatte.
Ihr Bruder Oliver ging neben ihr, knuffte sie gelegentlich, lachte dabei leise und freute sich darüber, dass er seine kleine Schwester wieder einmal ärgern konnte. Ja, der Oliver war auch ein besonderer Mensch, wie Fridolin fand. Nicht ganz so verspielt und verkuschelt wie Anna, aber ebenso liebenswürdig und zuvorkommend. Besonders dann, wenn es darum ging, mit Fridolin spazieren zu gehen und ihn dabei von der Leine zu lassen. Oliver besaß ein Grundvertrauen in Fridolin, das der Hund immer zurückzuzahlen versuchte. So nahm sich Fridolin immer vor, nicht gleich davonzulaufen, wenn Oliver den
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