Friedemann Bach
Schloßhauptmann von Senftenberg, ein schmächtiges, in schwarzen Atlas gekleidetes Männchen von teufelsmäßig verschmitztem Profil; er ist geheimer Adept des Königs, der für die von ihm geübte Kunst des Goldmachens so lange die ungeheuersten Summen verlaborieren wird, bis August, trotz allen Aberglaubens und aller Habsucht, die Augen aufgehen und er ihm den Kopf abschlagen läßt.
Die Unterhaltung der beiden wird von einem kleinen, falstaffdicken Kerl, dem Hofnarren und königlichen Hoftaschenspieler Josef Fröhlich, und dem immer melancholischen Baron Schmiedel gespannt verfolgt. In silbergrauen Taft gekleidet, einen Flor am Arm, mit blassem, verhärmtem Gesicht ist er ein Mensch, der alle Dinge von der Grabesseite ansieht; aber in der ständigen Luft französischen Esprits brauchte man seinen ewigen Schmerz ebenso zur Belustigung wie die sächsische Pöbelkomik und den plumpen Humor seines heiteren Gegenteils. Nie wird es der Baron versäumen, am Morgen nach dem Tage, an dem ein Günst- ling oder eine Mätresse gefallen ist, seine Kondolenzkarte mit dickem Trauerrand an dieses neueste Opfer Augusts zu senden.
Dicht bei dem Platze der königlichen Familie, alle Blicke auf sich lenkend, sitzt die interessanteste Frau der Zeit, die Gräfin Königsmarck, Propstin von Quedlinburg, angetan mit einem schwarzseidenen, mit Spitzen verbrämten Kleid, das fast wie ein Trauerkostüm wirkt; sie unterhält sich mit dem Kabinettsminister Graf Heinrich von Hoymb, dem geschiedenen Gemahl der Kosel, dem ewigen Ränkeschmied, und mit dem Hofmarschall von Haugwitz.
Aurora von Königsmarck, die trotz ihrer vorgerückten Jahre noch nicht den Reiz der Jugend verloren hatte, war nicht nur die schönste, sondern auch die geistreichste und achtungswerteste von Augusts Liebschaften. Sie hatte eine tiefe und wahre Neigung für ihn, die seine Treue weit überdauerte; und sie war uneigennützig genug, ihm auch dann noch eine ergebene Freundin, eine opferfähige Dienerin zu sein, als sie ihre Zukunft in Quedlinburg gesichert wußte und sich von ihm auf immer gemieden sah. Ihre Neigung war um so reiner und besser geworden, als sie fern von Wünschen und Plänen war. Vor Antritt ihrer Propstei hatte sie sich mit der Königin versöhnt, die, durch Auroras rührende Liebe, Verehrung und Reue besiegt, sich in ihre wohlwollende Gönnerin verwandelt hatte. Und da auch August den hohen Wert dieser Frau, zu spät vielleicht, erkannte und es gern sah. wenn sie am Hof erschien, so rechnete man sie wieder zur königlichen Familie.
In diesem einzigen Saale war außer dem still lächelnden Sebastian Bach, der, ans Klavier gelehnt, neben Volumier stand und die Gruppen beobachtete, nicht eine Person, deren Herz und Hirn unbeschwert und nicht beunruhigt gewesen wäre. Das war der Hof Augusts des Starken, der mit Ludwig von Frankreich um die Ehre buhlte, der glänzendste, geistreichste und gesittetste Repräsentant der Kronen Europas zu sein.
Die Versammlung war nicht nur heute, sondern immer in zwei Heerlager, zwei Parteien geteilt, deren stiller, äußerlich wenig sichtbarer Kampf in der heutigen Soiree am deutlichsten durch den bevorstehenden Wettstreit Bachs und Marchands ausgesprochen war. Auf der einen Seite stand, freilich in der Minderzahl, die alte Autorität mit ihrem Glauben, ihrer Einfachheit und ihrem Ernst; sie war's, die auf die Kirche, den altehrwürdigen Ritus, den geistlichen Stil in der Musik, auf deutsches Wesen und die Ehrbarkeit der Väter hielt. Zu ihrer Fahne standen die Königin, ihre Favoritin, die alte Oberhofmeisterin, Gräfin von Kollowrat, General von Klenzel, Fürstenberg, die innerlicher gewordene Aurora von Königsmarck und noch ein Bruchteil älterer Hofdamen und Kavaliere, die die Gewohnheiten der Väter zumindest bequem fanden. Dieser spezifisch kirchlichen Partei gegenüber machte sich siegreich der Egoismus in französischen Kleidern breit, siegreich als Idee, siegreich als Praxis; doppelt siegreich, weil er neu und von der Mehrzahl unterstützt war. In diesem Lager, dem der Kurfürst selbst angehörte, gaben nächst ihm Fleming und die Denhof, Spiegel, Hofmarschall von Haugwitz, Hoymb und Klettenberg den Ton an. Frau von Haugwitz, die hoffte, noch einmal die verlorene Gewalt wiederzuerlangen, und die Gräfin Dieskau, die eben dabei war, sie zu erringen, schlossen sich an, weil sie wußten, daß dies ein bequemer Weg zum Herzen des Gebieters sei. Die eigentlich Indifferenten dabei waren Vitzthum, wie in allen
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