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Friedemann Bach

Friedemann Bach

Titel: Friedemann Bach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Emil Brachvogel
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wandten sich auf die Gruppe.
    »Das ist Bach, Euer Majestät,« sagte vorstellend Fleming mit etwas mitleidigem Lächeln.
    »Er hat sich also angemaßt, dem Marchand eine Herausforderung zu einem musikalischen Wettstreit zu schicken?«
    »Jawohl, Euer Majestät! Ich hab' aber nicht gemeint, daß ich mich vor Eurer Majestät damit großtun wolle.«
    »Ah, und jetzt wird Ihm bange? Er hat sich wahrscheinlich zu viel vorgesetzt?«
    »Nein, bange ist mir nicht, Majestät. Die deutsche Kunst braucht sich nicht zu fürchten vor der französischen.«
    »So, so! Wollen sehen! Es scheint aber nicht, daß die deutsche Kunst soviel einbringt wie die französische,« und der König warf einen Blick auf das schlichte, unmoderne Gewand Sebastians.
    »Da haben Eure Majestät recht. Daraus muß sich aber der Künstler nichts machen. Wer nach dem Guten strebt, soll sich vorher sagen, daß der Flitterkram und das Blendwerk, das die Sinne kitzelt und seicht ist, schneller Eingang findet und besser bezahlt wird als das ernste, ehrliche Streben. Wer das nicht vorher überlegt, muß nicht erst anfangen, Majestät!«
    Alles war erschrocken über die beispiellos kecke Antwort des Organisten, und Volumier zupfte erbleichend Sebastian am Schoß. August runzelte die Stirn, seine Wangen überflog ein leichtes Rot, und er sah mit einem jener Blicke, die schon manchen Höfling zagen gemacht, auf ihn nieder. Als aber Sebastians klares, ruhiges Auge die stille Drohung so ruhig aushielt, lächelte der König.
    »Nun spiele Er! -— Fleming, lassen Sie Marchand rufen!«
    Der König ließ sich nieder, die Versammlung nahm Platz, und Bach stand neben Volumier am Instrument, indes Fleming selbst nach dem Ankleidezimmer eilte, um den französischen Meister einzuführen.
    Es herrschte eine lautlose Stille, in der jedermanns Beklemmung und Neugierde wuchs. Der König war augenscheinlich nicht in der besten Laune. Sei es, daß Klettenbergs wieder nutzlose Versuche oder Bachs Benehmen ihn verletzt, sei es, daß er unangenehme Herzensregungen bei Auroras Worten empfunden hatte: genug, jeder fühlte, daß der Unterliegende bei diesem Wettstreit keine beneidenswerte Rolle spielen würde. Schon sandte Gräfin Denhof ein mitleidiges Lächeln zu Bach hinüber, und Baron von Schmiedel sagte zu Fürstenberg: »Ich werde heute abend eine Kondolenzkarte schreiben.« -— Da entstand bei der Galerie eine seltsame Bewegung, und Fleming, bleich und außer Fassung, schwankte auf den König zu.
    »Was haben Sie, Fleming?«
    »Majestät, ich bin sprachlos vor Entsetzen! Vor einer Viertelstunde war Marchand noch hier — in meinem Toilettenzimmer — und nun ... ist er fort!«
    »Fort?« Und der König erhob sich gereizt. Dunkle Röte überzog sein Gesicht. »Fort? Nein, Sie irren wohl! Es wird ihm unwohl geworden sein. Er hat vielleicht in der Eile seine Noten vergessen. Volumier und Vitzthum, eilen Sie in seine Wohnung und sehen Sie, was der Mann macht!«
    Damit wandte sich der Fürst zur Königin und Propstin Königsmarck und ging in leichte Konversation über.
    Man stand in Gruppen umher und besprach den ominösen Zwischenfall. Fleming stand allein und suchte sich durch ein Zeichen mit der Denhof zu verständigen, die, wie er, in Ängsten war, sich zu kompromittieren. Er sah sie starr an, zuckte unmerklich mit den Achseln, und die schöne Gräfin verbarg hinter dem Fächer zwei Tränen der Wut und Enttäuschung. Der alte General von Klenzel aber trat mit richtigem Taktgefühl zu Bach und fragte ihn in liebenswürdigster Weise nach seinen Verhältnissen ...
    Nach Verlauf einer Viertelstunde, in der es schien, als habe August bereits den ganzen Vorfall vergessen, kamen Vitzthum und Volumier zurück. Der Oberkämmerer, ein in grünen Samt gebundenes Notenbuch im Arm haltend, schritt auf den König zu, der ihn fragend anblickte.
    »Majestät halten zu Gnaden: wir fanden die Wohnung von Monsieur Marchand leer; vor einer Viertelstunde hat er mit Sack und Pack Dresden verlassen. Das einzige, was von ihm zurückgeblieben, ist das Chanson mit Variationen, das er Euer Majestät unlängst dedizierte.«
    Die Versammlung war starr vor Schreck. Aller Augen wandten sich nach der unglücklichen Denhof und nach Fleming, die den Franzosen so angelegentlich empfohlen hatten. Jeder wußte, daß August am wenigsten der Mann sei, eine Täuschung zu ertragen; er bezwang sich jedoch noch, nahm mit großer Ruhe das Chanson, das ihm Vitzthum reichte, entgegen und winkte Bach zu sich: »Sein

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