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Friedemann Bach

Friedemann Bach

Titel: Friedemann Bach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Emil Brachvogel
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Gegner hat, wie's scheint, aus irgendeinem Grunde für jetzt das Feld geräumt. Das beweist aber noch nicht, daß Er ihm überlegen ist. Wir haben hier eine seiner Kompositionen, die das Geistreichste und Schwierigste ist, was er vor uns spielte. Seh Er sie an! Traut Er sich, sie nachzuspielen?«
    Bach blätterte einen Augenblick in den Noten.
    »Majestät, solch Zeug spiele ich nicht. Die Musik ist eine schöne, edle Kunst, eine Gottesgabe, die nicht zu solchen Schnurren da ist. Wollen Euer Majestät das da aber hören, so hab' ich meinen Jungen, den Friedemann, bei der Hand; der kann sie spielen.«
    »Was? Was sagt Er da?! Er kann oder will das nicht spielen?«
    »Nein, das spiele ich nicht, Majestät! Ich bin mir bewußt, meinen Gott anzubeten durch meine Kunst, - und wie kein Diener des Herrn sich soll zum Narren machen, so wird's Sebastian Bach auch nicht tun!«
    »Hm! — Nun, laß Er seinen Jungen rufen!«
    Man ließ sich nieder. Bach trat in die Galerie und brachte Friedemann an der Hand herein. Der Knabe, rot vor innerer Bewegung, setzte sich an das Instrument, und Volumier wandte, in sich hineinlächelnd, die Blätter um. Bach, der Vater, trat zur Seite, als ginge ihn das alles nichts an.
    Friedemann begann ruhig und sicher das Thema und führte die Variationen durch alle Umkehrungen und Verschlingungen mit solcher Reinheit und so leichter Ungezwungenheit aus, daß der König, der Hof und die ganze Versammlung in rauschenden Beifall ausbrachen.
    »Er hat da einen exzellenten Jungen, Bach! Das ist ganz unerhört! Wie ist's möglich, daß man das in solchem Alter leisten kann?«
    »Er hat mit vier Jahren schon angefangen, Majestät. Die Hauptsache aber ist, daß er sein Leben lang die ernste Musik, den großen Kirchenstil, in dem polyphone Gedanken sind, praktiziert hat. Die deutsche Musik blendet vielleicht nicht so, aber sie ist schwerer, und es gehört Kopf und Herz dazu, wenn man ihr etwas abgewinnen will.«
    »Dann war' es schlimm für uns, daß man sie uns so lange vorenthalten hat. Kann Er uns nicht etwas davon zeigen?«
    »Gewiß, Majestät! -— Ich hab' mich gegen Marchand unterfangen, jedes Thema, das er mir stellen würde, zu variieren und zu fugieren. Wenn mir Euer Majestät ein Thema, womöglich ein kirchliches, stellen wollen, so bin ich bereit.«
    »Das geht wohl mehr die Damen an,« sagte August, sich zur Königin wendend. »Wollen Euer Majestät das vielleicht übernehmen?«
    Die Königin errötete leicht. -— »Als ich vor einem Jahre in Hamburg war, hörte ich in der Kirche einmal auf der Orgel den alten Organisten Reinken einen Choral spielen. Der ergriff mich damals so sehr, daß ich mich heute noch des Eindrucks wie von gestern her erinnere. Ich glaube, das Lied begann: An Wasserflüssen Babylons.«
    Da war's, als wenn Sebastian Bach erschauerte, und eine heilige Rührung kam über ihn.
    »Ja, Majestät, das kenn' ich! Und wenn ich auch nicht wert bin, dem alten Reinken die Schuhriemen zu lösen, so danke ich doch Euer Majestät herzlich, daß Sie mich würdig erachten, ihm das nachzuspielen. Mit Gott will ich's versuchen!«
    Er trat ans Klavier, nicht gebückt mehr wie der arme Organist aus Weimar, sondern wie Ariel, der zum Preise der Gottheit singt. Mit hastiger Gebärde warf er das Marchandsche Chanson vom Klavier aufs Parkett, legte das Pult um und setzte sich.
    Sein Blick richtete sich nach oben, und in tiefer, feierlicher Stille begann er leise und ernst den Choral:
    »An Wasserflüssen Babylons sitzen die verstoßenen
Kinder des Herrn
Und weinen ob ihres Elends.
Der alte Serubabel singt schwer und klagend das
Tränenlied,
Daß der Herr die Seinen verstoßen,
Und die Weiber und Männer und die lallenden
Kinder fallen klagend und seufzend ein.
Zu ihren Füßen murmelt der Strom und trägt
Auf den Wellen ihre Sehnsucht weiter
Zu fernen Gestaden.
Der Wind hebt sie empor und führt sie über die ewigen Täler der Freude,
Breitet sie über das verlassene
Selige Vaterland.
Und die Klage wächst und die Träne,
Und eine Stimme hebt sich über die andere
Und zeihet sich laut
Der Hauptschuld am Elend der Brüder,
Und Flut und Winde und der Himmel
Klagen mit. -- Es ächzt und bebt die Erde,
Die ganze Welt ist ein Erlösungsschrei!
Da spaltet ein Blitz die Wolken, und der Herr
Entsendet seinen Liebesboten nieder,
Kühlung zu fächeln mit ewiger Schwinge
Und zu bringen den Trank der Verheißung:
Einst sollt ihr wohnen im lieben Vaterlande,
Sollt den Heiland grüßen, den ich senden werde
Zu

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