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Friedhof der Kuscheltiere

Friedhof der Kuscheltiere

Titel: Friedhof der Kuscheltiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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schlafen, so viel Rachel ihm auch vorsingen mochte. Sie gab ihm die Brust, außerhalb seiner gewohnten Essenszeiten. Gage kannte seine Essenszeiten ebenso gut wie sie -- vielleicht sogar besser -- und biß sie prompt mit seinen neuen Zähnen. Rachel, die immer noch nicht recht wußte, was sie von diesem Umzug von Chicago, wo sie ihr ganzes bisheriges Leben verbracht hatte, nach Maine halten sollte, brach in Tränen aus. Eileen folgte unverzüglich ihrem Beispiel. Im hinteren Teil des Kombi wanderte Church immer noch so rastlos hin und her wie die ganzen drei Tage auf der Fahrt von Chicago bis hierher. Sein Geheul aus dem Katzenkorb war schon schlimm gewesen, aber sein rastloses Hin und Her, nachdem sie endlich kapituliert und ihn im Wagen freigelassen hatten, hatte sie fast um den Verstand gebracht.
    Louis war selbst ein bißchen nach Weinen zumute. Plötzlich kam ihm ein Gedanke, der verrückt, aber nicht ohne Reiz war. Er würde vorschlagen, daß sie nach Bangor zurückkehrten, um etwas zu essen und auf den Möbelwagen zu warten; und wenn seine drei Glücks-Unterpfänder ausgestiegen waren, würde er Gas geben und davonfahren, ohne einen Blick zurückzuwerfen, den Fuß auf der Matte, während der mächtige Vierfachvergaser teures Benzin in sich hineinfraß. Er würde nach Süden fahren, bis nach Orlando, Florida, wo er unter neuem Namen in Disney World einen Job als Arzt erhalten würde. Und noch bevor er die Schnellstraße, die gute alte Route 95 Richtung Süden, erreichte, würde er am Straßenrand halten und das verdammte Katzenvieh gleichfalls hinaussetzen.
    Dann bogen sie um die letzte Kurve, und da stand das Haus, das bisher nur er gesehen hatte. Er war herübergeflogen und hatte sich die sieben Häuser angesehen, die sie anhand von Photos in die engere Wahl gezogen hatten, nachdem ihm der Posten an der Universität von Maine sicher war; und dies war das Haus, für das er sich entschieden hatte. Ein großes Gebäude im Neuengland-Kolonialstil (aber neu verkleidet und wärmegedämmt; die Heizkosten waren zwar grausam, aber der Verbrauch hielt sich doch im Rahmen des Üblichen), drei große Zimmer unten, vier weitere oben, ein langer Schuppen, in den man später vielleicht weitere Zimmer einbauen konnte -- und alles umgeben von einer ausgedehnten Rasenfläche, die selbst in dieser Augusthitze noch üppig grün war.
    Hinter dem Haus lag ein großes Feld, auf dem die Kinder spielen konnten, und hinter dem Feld streckten sich Wälder, die fast bis in die Ewigkeit reichten. Das Grundstück grenzte an Staatsbesitz, hatte der Makler erklärt; in absehbarer Zukunft sei nicht mit irgendwelchen Bauvorhaben zu rechnen. Die Überlebenden vom Indianerstamm der Micmac hatten auf fast achttausend Morgen Land in Ludlow und den östlich von Ludlow gelegenen Städten Anspruch erhoben, und der komplizierte juristische Prozeß, an dem sowohl die Bundes- als auch die Staatsregierung beteiligt war, konnte sich gut bis ins nächste Jahrhundert hinziehen.
    Rachel hörte plötzlich auf zu weinen. Sie richtete sich auf. »Ist es das?«
    »Das ist es«, sagte Louis. Er verspürte Unbehagen -- nein, er hatte Angst. In Wirklichkeit verspürte er sogar Entsetzen. Dafür hatte er zwölf Jahre ihres Lebens mit einer Hypothek belastet; es würde nicht abbezahlt sein, bevor Eileen siebzehn war.
    Er schluckte.
    »Was hältst du davon?«
    »Ich finde es wunderschön«, sagte Rachel, und ihm fiel ein Zentnergewicht von der Brust -- und von der Seele. Es war ihr ernst damit -- das sah er an der Art, wie sie es betrachtete, als sie in die asphaltierte Auffahrt einbogen, die um den Schuppen im Hintergrund herumführte, wie ihre Augen über die kahlen Fenster glitten und sie in Gedanken schon mit Gardinen beschäftigt war, mit Wachspapier für die Schränke und mit Gott weiß was sonst.
    »Daddy?« sagte Ellie vom Rücksitz. Sie hatte gleichfalls aufgehört zu weinen. Sogar Gage hatte aufgehört zu zappeln. Louis genoß die Stille.
    »Ja, Liebling?«
    Auch ihre Augen, im Rückspiegel braun unter dem dunkelblonden Haar, glitten über das Haus, den Rasen, über das Dach eines anderen Hauses ein Stück entfernt zur Linken und das große Feld, das bis an die Wälder heranreichte.
    »Ist das unser neues Zuhause?«
    »Das soll es werden, Kleines«, sagte er.
    »Hurra!« schrie sie, daß ihm fast das Trommelfell platzte. Und Louis, dem Ellie gelegentlich gewaltig auf die Nerven ging, stellte fest, daß es ihm völlig gleichgültig war, ob er je einen Blick

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