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Friedhof der Unschuldigen: Roman (German Edition)

Friedhof der Unschuldigen: Roman (German Edition)

Titel: Friedhof der Unschuldigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Miller
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isst«, fährt Ziguette fort, die seit frühester Kindheit zu derlei mal amüsanten, mal beunruhigenden Phantastereien neigt, »nur Äpfel und Schweinefüße. Und wischt sich die Finger am Bart ab. So.«
    Sie ahmt es nach, fährt mit gekrümmten Fingern unterhalb ihres hübsch geformten rosigen Kinns durch die Luft, als mit klappernden Holzschuhen das Dienstmädchen hereinkommt.
    »Noch niemand zu sehen, Marie?« fragt Madame.
    »Nein«, sagt Marie, die im Dämmerlicht in Türnähe stehenbleibt, die junge, stämmige Gestalt angespannt, als wäre sie auf einen Vorwurf gefasst.
    »Dein Vater hat mir versichert, er käme früh nach Hause«, sagt Madame zu ihrer Tochter. »Es wäre äußerst misslich, wenn wir ihn selbst empfangen müssten. Marie, Monsieur Monnard hat keine Nachricht geschickt, oder?«
    Das Mädchen schüttelt den Kopf. Sie ist seit achtzehn Monaten hier in Stellung. Ihr Vater ist Lohgerber im Faubourg Saint-Antoine gewesen, und sie war, als er am Typhus starb, noch so jung, dass sie sich nicht an ihn erinnert. Wie alle anderen im Haus leidet sie an Träumen.
     
    Die Abenddämmerung macht der Nacht Platz. Madame Monnard zündet weitere Kerzen an. Sorgfältig schürt sie das Feuer. Sie verbrennen Holz, und Holz ist teuer. Ein kleines Scheit, nicht länger oder dicker als ein Männerarm, kostet zwölf Sous, und man braucht zwanzig davon, um ein Feuer den ganzen Tag am Brennen zu halten. Sie setzt sich, nimmt die Ausgabe des Journal des Dames Modernes zur Hand, die sie und Ziguette gestern so gut unterhalten hat, und schlägt sie erneut bei den Illustrationen der Wilden auf, der edlen Wilden – großer Herren in ihren eigenen wilden Königreichen –, deren Gesichter vom Kinn bis zu den Augen phantastische blaue Tätowierungen zieren, Wirbel und Spiralen wie Pläne für Parkanlagen. Man stelle sich nur vor, ihr Mieter käme mit einem solchen Gesicht! Was für ein Coup! Noch besser als das Pianoforte (und was für ein Triumph war das, als das Instrument mit einem Flaschenzug wie bei der Rettung einer Kuh aus einem Steinbruch hochgehievt und durch das Fenster hineinbugsiert wurde, die halbe Nachbarschaft sah zu). Ein Jammer, dass es ständig verstimmt ist. Es brachte den armen Lehrer von Ziguette fast zum Weinen, obwohl man einräumen muss, dass Signor Bancolari zu der Sorte von Herren zählte, die nah am Wasser gebaut haben.
    Im unteren Stockwerk schlägt die Haustür zu. Ein Luftzug findet die Treppe hinauf und bringt die Kerzenflammen im Wohnzimmer zum Flackern, und kurz darauf erscheint Monsieur Monnard. Er trägt noch immer seine von Gebrauch und Alter dunkle Lederschürze aus der Werkstatt, obwohl Madame Monnard schleierhaft ist, vollkommen schleierhaft, wieso er überhaupt eine Schürze trägt, wo er doch nicht weniger als drei durchaus tüchtige Gesellen hat, die das Polieren und Schleifen allein übernehmen können. Doch das muss ihr Mann selbst entscheiden.
    Sie begrüßen einander. Er begrüßt seine Tochter, die inzwischen auf dem Klavierhocker sitzt und mit einem Finger Töne anschlägt, die zu irgendeiner ihr bekannten Melodie gehören mögen oder auch nicht. Er nimmt seine Perücke ab und kratzt sich kräftig die Kopfhaut.
    »Noch immer kein Lebenszeichen von unserem Gast?« fragt er.
    »Ziguette«, sagt Madame Monnard, »hat die albernsten Dinge über ihn gesagt. Sie glaubt, er spricht kein Französisch, weil er aus der Normandie kommt.«
    »In der Bretagne«, sagt Monsieur Monnard, »sprechen sie etwas vollkommen Unverständliches. Man glaubt, dass sie es von den Möwen gelernt haben.«
    »Warum kommt er überhaupt?« fragt Ziguette. »War er zu Hause nicht zufrieden?«
    »Ich nehme an«, sagt ihr Vater, »er hat vor, hier sein Glück zu machen. Ist das nicht der Grund, warum jeder nach Paris kommt?«
    Marie fragt, ob sie die Suppe auftragen soll. Monsieur möchte wissen, was für Suppe es heute gibt.
    »Knochen«, sagt Marie.
    »Sie meint, von dem Kalbsbraten am Dienstag«, sagt Madame Monnard. »Wir haben noch allerlei schöne Zutaten hineingegeben.«
    »Zum Beispiel Schweinefüße«, sagt Ziguette, was ihrer Mutter ein Perlen entzückten Gelächters entlockt.

5
     
    ER TRIFFT ZWISCHEN der Suppe und einem Schmorgericht ein, das ebenfalls aus den Resten des Kalbsbratens vom Dienstag zubereitet ist. Er hat nicht die Absicht gehabt, so spät oder gar im Dunkeln einzutreffen. Sein Gepäck, eine große, gerippte Truhe (eine Rippe hat beim Abladen vom Kutschendach einen Knacks bekommen), wird

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