Friedhof für Verrückte
gemacht hätte, wie hätte ich wissen können, daß du den armen alten Knaben wiedererkennst? Es muß jemand gewesen sein, der weiß, daß du Arbuthnot vor Jahren gesehen hast, stimmt’s, oder habe ich recht?«
»Also …«
»Das ist doch Unsinn, eine Leiche im Regen, wenn du nicht einmal weißt, wen du da vor dir hast. Du hast mir von einem ganzen Haufen anderer Leute erzählt, denen du begegnet bist, beim Herumlungern vor den Studios in deiner Jugend. Hätte ich die Leiche angefertigt, hätte ich mir Rudolph Valentino oder Lon Chaney ausgesucht, um sicher zu sein, daß du sie auch erkennst. Stimmt’s?«
»Stimmt«, sagte ich matt. Ich schaute Roy prüfend ins Gesicht und wandte meinen Blick schnell wieder ab. »Tut mir leid. Doch zum Teufel, es war Arbuthnot. Ich habe ihn insgesamt zwei dutzendmal gesehen, damals in den Dreißigern. Bei Previews. Draußen vor diesem Studio. Er und seine Sportwagen, ein Dutzend verschiedene müssen es gewesen sein, und in seinen Limousinen, drei hatte er. Und Frauen, einige Dutzend, die immer lachten. Wenn er dir ein Autogramm gab, steckte er immer einen Vierteldollar in dein Autogrammbuch, bevor er es dir wieder zurückgab. Einen Quarter! Und das 1934! Für einen Quarter konnte man sich eine Malzmilch, einen Schokoriegel und eine Kinokarte kaufen.«
»Ja, genau so ein Typ war er, der alte Arbuthnot. Kein Wunder, daß du dich an ihn erinnerst. Wieviel hat er dir gegeben?«
»Er gab mir im Monat so einen Dollar fünfundzwanzig. Ich war reich. Und jetzt liegt er dort drüben hinter der Mauer begraben, wo ich letzte Nacht gewesen bin. Aus welchem Grund sollte mich jemand erschrecken wollen, damit ich glaube, man habe ihn ausgebuddelt und auf eine Leiter gestellt? Warum der ganze Aufwand? Die Leiche donnerte wie ein Tresor aus Gußeisen auf die Erde. Um so eine Vorstellung durchzuziehen, braucht man mindestens zwei kräftige Männer. Wozu das Ganze?«
Roy biß ein Stück von seinem nächsten Doughnut ab. »Ja, warum bloß? Außer es benutzt dich jemand, um die Sache publik zu machen. Du wolltest es doch weitererzählen, oder?«
»Ich hätte …«
»Tu’s nicht. Dir steht das Entsetzen immer noch ins Gesicht geschrieben.«
»Wieso bloß? Aber ich habe einfach das Gefühl, es könnte sich um mehr als einen dummen Streich handeln und daß noch mehr dahinter ist.«
Roy hielt den Blick auf die Mauer gerichtet und kaute gedankenverloren. »Zum Teufel«, sagte er nach einer Weile. »Warst du heute vormittag noch einmal auf dem Friedhof, um nachzusehen, ob die Leiche noch dortliegt? Laß uns hingehen und nachsehen.«
»Nein!«
»Die Sonne steht hoch am Himmel. Hast du Schiß?«
»Nein, aber …«
»Hey!« dröhnte eine durchdringende Stimme. »Was treibt ihr beiden Trottel da oben?«
Roy und ich schauten von der Veranda herab.
Mitten auf dem Rasen stand Manny Leiber. Weiter hinten war sein Rolls-Royce geparkt, der Motor grummelte tief und ruhig, auf der Karosserie zeigte sich nicht der Hauch einer Vibration.
»Wird’s bald?« rief Manny.
»Wir haben eine geschäftliche Besprechung!« sagte Roy lässig. »Wir möchten hier gerne einziehen.«
»Ihr möchtet was?« Manny stierte auf das alte viktorianische Haus.
»Ein prima Platz zum Arbeiten«, sagte Roy schnell. »Hier vorne ein Büro für uns, eine sonnige Veranda, innen stellen wir einen Spieltisch auf und Schreibmaschinen.«
»Ihr habt bereits ein Büro!«
»Büros sind so geisttötend. Diese Umgebung«, unterstützte ich Roy, mit dem Kopf einen Kreis beschreibend, »diese Umgebung wirkt inspirierend. Sie sollten sämtliche Schreiber aus der Autorenbaracke herausholen! Stecken Sie Steve Longstreet dort drüben in das Herrenhaus à la New Orleans, dort kann er seinen Bürgerkriegsfilm schreiben. Und dort hinten die französische Bäckerei? Ein phantastischer Ort für Marcel Dementhon, um seine Revolution zu beenden, habe ich recht? Weiter unten, Piccadilly, setzen Sie alle englischen Autoren dort hin!«
Manny bewegte sich langsam die Stufen herauf, sein Gesicht wurde rot und röter. Er blickte über das Studiogelände, auf seinen Rolls, und sah dann uns beide an, als hätte er uns gerade splitternackt beim Rauchen hinter der Scheune erwischt. »Herrgott, nicht genug, daß schon beim Frühstück alles den Bach runtergegangen ist. Jetzt habe ich es auch noch mit zwei Schwachköpfen zu tun, die Lydia Pinkhams Hütte in einen Palast für Drehbuchautoren verwandeln wollen!«
»Genau!« schaltete sich Roy wieder ein.
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