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Friedhof für Verrückte

Friedhof für Verrückte

Titel: Friedhof für Verrückte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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zehn Milliarden Jahre währenden Schlaf zu wecken.
    Ich bahnte mir einen Weg durch diesen Schuttabladeplatz, diesen Haufen aus mechanischer Habsucht, Gier nach Spielsachen, aus Leidenschaft für riesige, beutehungrige Monster, guillotinierte Häupter und ausgewickelte, verschrumpelte König-Tut-Körper.
    Überall bedeckten großflächige Plastikplanen weitere Schöpfungen, die Roy eines Tages enthüllen würde. Ich traute mich nicht, einen Blick darunter zu werfen.
    Inmitten des Ganzen stand ein völlig nacktes Skelett und reckte in erstarrter Pose einen Zettel in die Luft. Ich las:
     
    CARL DENHAM!
     
    Das war der Name des Produzenten von King Kong.
     
    DIE GROSSTÄDTE DIESER WELT WARTEN, NEU ERSCHAFFEN, HIER UNTER DIESEN PLANEN DARAUF, ENTDECKT ZU WERDEN. RÜHREN SIE NICHTS AN. SUCHEN SIE MICH.
    THOMAS WOLFE HATTE UNRECHT. ES FÜHRT DOCH EIN WEG ZURÜCK. GEHEN SIE BEI DEN SCHUPPEN FÜR DIE ZIMMERLEUTE NACH LINKS, BEI DER ZWEITEN FREILICHTDEKORATION RECHTS. IHRE GROSSELTERN ERWARTEN SIE DORT! KOMMEN SIE UND SEHEN SIE SELBST! ROY.
     
    Ich ließ meinen Blick über die Plastikplanen schweifen. Die Enthüllung! Genau!
    Ich rannte los und dachte: Was meint er damit? Meine Großeltern? Erwarten mich? Ich legte ein langsameres Tempo vor. Ich begann, tief durchzuatmen, in frischer Luft, die nach Eichen und Ulmen und Ahorn schmeckte.
    Denn Roy hatte recht.
    Es führte ein Weg zurück nach Hause.
    Vor der Außendekoration Nummer zwei stand ein Schild mit der Aufschrift GROSSER WALD . Das war doch Green Town, das Städtchen, in dem ich zur Welt gekommen war und wo man mich mit Brot großgezogen hatte, dessen Sauerteig den ganzen Winter über hinter dem dickbauchigen Ofen stand. Am gleichen Platz gärte im Spätsommer der Wein, und lange bevor der Frühling sich ankündigte, fielen Schlacken wie Eisenzähne in jenen Ofen.
    Ich ging nicht auf dem Bürgersteig, sondern schlenderte über die Rasenparzellen vor den Häusern. Ich war froh, einen Freund wie Roy zu besitzen, der meine Träume kannte und mich rief, um mir alles noch einmal zu zeigen.
    An drei weißen Häusern kam ich vorbei, in denen meine Freunde im Jahre 1931 gewohnt hatten, bog um eine Straßenecke und blieb vor Schreck stehen.
    Im Staub der gepflasterten Straße stand der alte 1929er Buick meines Vaters geparkt und wartete darauf, 1933 Richtung Westen loszubrausen. Dort stand er, mit kaputten Scheinwerfern, und rostete langsam vor sich hin. Am Drehverschluß des Kühlers blätterte die Farbe ab, auf dem wabenförmig durchlöcherten Kühlergrill klebte eine Schicht aus festgebackenen Motten, blauen und gelben Schmetterlingsflügeln, ein aus dem Reigen längst vergangener Sommer gewirktes Mosaik.
    Ich beugte mich durchs Fenster, um mit zitternden Fingern über den rauhen Flor des Rücksitzpolsters zu streichen, auf denen ich mir mit meinem Bruder Ellbogenkämpfe geliefert hatte und wo wir uns angeschrien hatten, als wir auf dem Weg durch Missouri und Kansas und Oklahoma und …
    Es war nicht das Auto meines Vaters und war es doch wieder.
    Ich ließ meinen Blick nach oben wandern und sah das neunte Weltwunder: Das Haus von Großmama und Großpapa, mit der Veranda und der Schaukel darauf, mit den Geranien in rosa Töpfen entlang der Balustrade, und überall Farne wie grüne Brunnenfontänen. Davor ein weitläufiger Rasen wie das Fell einer grünen Katze, mit Klee und Löwenzahn in solchen Mengen übersät, daß man am liebsten die Schuhe ausgezogen hätte, um barfuß über den herrlichen Teppich zu laufen. Und -
    Hoch droben das Dachfenster, hinter dem ich geschlafen hatte und morgens erwachte, um auf ein grünes Land und eine grüne Welt hinauszublicken.
    In der Sommerschaukel auf der Veranda, die sachte hin- und herschwang, sah ich meinen liebsten Freund sitzen, die langfingrigen Hände in den Schoß gelegt …
    Roy Holdstrom.
    Er pendelte sanft vor und zurück, wie ich mit ganzer Seele in einem lange vergangenen Mittsommertraum.
    Da bemerkte Roy mich und gestikulierte mit seinen langen, kranartigen Armen, zeigte nach links und rechts, zum Rasen hin, dann auf sich selbst, auf mich.
    »Mein Gott«, rief er, »sind wir nicht – glücklich ?«
     

7
     
    Roy Holdstrom hatte in seiner Garage Dinosaurier gebastelt, seit er zwölf Jahre alt war. Die Saurier jagten seinen Vater auf 8-Millimeter-Film quer durch den Garten und fraßen ihn auf. Später, als Roy zwanzig war, schleppte er seine Dinosaurier in kleine, unseriöse Studios und fing an, die in mühevoller

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