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Friedhof für Verrückte

Friedhof für Verrückte

Titel: Friedhof für Verrückte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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»Just auf dieser Veranda habe ich die Idee zu einer der furchterregendsten Miniaturfilmdekorationen aller Zeiten empfangen!«
    »Hört auf mit diesen Übertreibungen.« Manny trat einen Schritt zurück. »Zeigt mir den Stoff !«
    »Dürfen wir Ihren Rolls benutzen?«
    Wir benutzten den Rolls.
    Unterwegs zum Atelier 13 starrte Manny Leiber unbeirrt geradeaus und sagte: »Ich versuche, hier ein Irrenhaus zu leiten, und ihr beide lungert auf einer Veranda herum und produziert laue Winde. Wo zum Teufel ist das Monster!? Seit drei Wochen warte ich darauf …«
    »Hoppla«, sagte ich beschwichtigend. »Es braucht schon seine Zeit, wenn wirklich etwas absolut Neues aus dem Dunkel der Nacht entstehen soll. Geben Sie uns Raum zum Atmen und genügend Zeit, um unsere geheimsten Kräfte freizusetzen. Keine Bange. Unser Roy wühlt schon im Lehm. Dort werden sich die Dinge entwickeln. Vorläufig halten wir die Monster noch im Schatten verborgen, sehen Sie …«
    »Ausflüchte!« sagte Manny, den Blick nach vorne gerichtet. »Ich sehe nichts. Ich gebe euch noch drei Tage! Ich will das Monster sehen!«
    »Und was wäre«, platzte es aus mir heraus, »wenn das Monster Sie sehen würde? Großer Gott! Wir könnten alles aus der Sicht des Monsters drehen! Die Kamera bewegt sich und ist selbst das Monster, die Leute haben Angst vor der Kamera, und …«
    Manny blinzelte zu mir herüber, machte ein Auge zu und grummelte: »Nicht schlecht. Die Kamera, und dann?«
    »Ja! Die Kamera krabbelt aus dem Meteor heraus. Die Kamera, als Monster, faucht durch die Wüste, erschreckt Gilaechsen, Schlangen, Geier, wirbelt eine Menge Staub auf …«
    »Das ist ein Ding.« Manny Leiber starrte weit weit weg, in die imaginäre Wüste hinein.
    »Das ist ein Ding«, schrie Roy begeistert.
    »Wir setzen eine mit Öl eingeriebene Linse auf die Kamera«, spann ich den Gedanken schnell weiter, »fügen Rauch, unheimliche Musik und Schatten hinzu, der Held schaut entsetzt in die Kamera und …«
    »Was dann?«
    »Wenn ich alles erzähle, kann ich es nicht mehr aufschreiben.«
    »Schreib’s auf, schreib alles auf!«
    Wir waren vor Halle 13 angekommen. Ich sprang aus dem Auto, immer noch drauflosredend. »Ja, genau, ich glaube, ich sollte zwei Versionen von diesem Drehbuch erstellen. Eine für Sie. Eine für mich.«
    »Zwei?« keifte Manny. »Warum?«
    »Am Ende der Woche liefere ich beide ab. Sie können entscheiden, welche die bessere ist.«
    Manny beäugte mich mißtrauisch, den einen Fuß noch im Rolls, den anderen auf dem Boden.
    »Blödsinn! Du gibst dein Bestes für diese Idee grade!«
    »Nein, mein Herzblut werde ich geben, für Sie und für meine Variante. Einverstanden?«
    »Zwei Monster zum Preis von einem? Na schön. Jetzt aber los!«
    Vor dem Tor machte Roy eine Vollbremsung. »Seid Ihr auf alles gefaßt? Bereitet Eure Seele und Eure Hirne vor.« Feierlich erhob er seine schönen Künstlerhände, wie ein Priester.
    »Ich bin vorbereitet, verdammt. Aufmachen!«
    Roy riß zunächst die äußere, dann die innere Tür auf. Wir gingen hinein, in die totale Finsternis.
    »Licht an, verdammt!«
    »Einen Moment noch …«, flüsterte Roy.
    Wir hörten, wie Roy im Dunkeln vorwärtstappte, vorsichtig über für uns unsichtbare Objekte stieg.
    Manny zuckte nervös.
    »Gleich soweit«, säuselte Roy quer über das nächtliche Territorium. »Jetzt …«
    Roy stellte die Windmaschine an, unterste Stufe. Ein Rauschen wie von einem gigantischen Sturm, der das Wetter von den Anden mit sich brachte, Schneeböen, die den Himalaya hinunterfegten, Regen über Sumatra, ein Dschungelwind in Richtung Kilimandscharo, das Rauschen der Brandung in den Azoren, der Schrei eines Urvogels, ein Flattern von Fledermausflügeln, alles so ineinander vermischt, daß man eine Gänsehaut bekam und einem der Geist durch die hintersten Falltüren stürzte, tief hinunter bis …
    »Licht!« schrie Roy.
    Und nun ging das Licht über Roy Holdstroms Landschaften auf, ein Anblick, so fremdartig und wunderschön, daß er einem das Herz brach und an alte Ängste rührte. Bis sich über die mikroskopisch kleinen Dünen lange Schatten wie Lemmingherden ergossen, über winzige Hügel und Miniaturgebirge, als seien sie auf der Flucht vor dem Verderben, das noch nicht zu erkennen, jedoch unabwendbar war.
    Ich schaute mich begeistert um. Roy hatte erneut meine Gedanken gelesen. Er hatte all die grellen und düsteren Gedanken, die ich des Nachts auf die Wand in meinem Camera-Obscura-Schädel

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