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Friedhof für Verrückte

Friedhof für Verrückte

Titel: Friedhof für Verrückte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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vorstellen, daß das Monster über die Mauer kam, Roys Figuren eigenhändig zerstörte, sich wieder aus dem Staub machte und alles so zurückließ, wie es wenig später vorgefunden, abtransportiert oder versteckt wurde. Und hier das gleiche noch einmal. Das Monster stieg von Notre Dame herunter …«
    »Stieg herunter?«
    »Ich habe es direkt von Angesicht zu Angesicht gesehen.«
    Zum ersten Mal sah Crumley etwas blaß aus.
    »Du bringst dich noch um, verdammt noch mal. Bleib weg von hohen Gebäuden. Wenn wir gerade davon reden: wir sollten nicht unbedingt im hellen Tageslicht hier herumstehen und plaudern. Könnte sein, daß die Putzbrigade noch einmal zurückkommt.«
    »Du hast recht.« Ich setzte mich in Bewegung.
    »Kann ich dich mitnehmen?«
    »Das Studio ist nur eine Straße weiter.«
    »Ich mache mich auf den Weg zum Zeitungsarchiv. Es muß dort etwas über Arbuthnot und 1934 geben, das wir nicht wissen. Soll ich unterwegs nach Clarence Ausschau halten?«
    Ich drehte mich um. »Crum, du weißt so gut wie ich, daß sie ihn inzwischen verbrannt haben, und die Asche haben sie auch verbrannt. Sollen wir etwa in den Verbrennungsofen kriechen und die Schlacke untersuchen? Ich mache mich auf zum Garten Gethsemane.«
    »Ist das ein sicherer Ort?«
    »Sicherer als Golgatha.«
    »Bleib dort. Ruf mich an.«
    »Du wirst mich hören, quer durch die ganze Stadt«, sagte ich. »Auch ohne Telefon.«
     

47
     
    Doch zuerst machte ich am Kalvarienberg halt.
    Die drei Kreuze waren leer.
    »J. C«, flüsterte ich, das zusammengefaltete Bild in meiner Tasche umfassend. Da merkte ich auf einmal, daß mir schon eine ganze Zeit lang etwas dicht auf den Fersen gefolgt war.
    Ich hielt nach Mannys Meute Ausschau. Sein schattengrauer Rolls-Royce persönlich kroch wie ein chinesischer Leichenwagen hinter mir her. Ich hörte, wie sich die Hintertür mit einem schmatzenden Geräusch von der Gummidichtung löste, sich öffnete und einen Schwall tiefgekühlter Luft entließ. Manny Leiber, nicht viel größer als eine Eisbombe, schaute aus seiner eleganten Tiefkühltruhe heraus. »He«, sagte er.
    Es war ein heißer Tag. Ich neigte mich in den gekühlten Passagierraum, kühlte mir Gesicht und Verstand.
    »Ich habe Neuigkeiten für Sie.« Mannys Atem stand in der künstlichen Winterluft. »Wir schließen das Studio für zwei Tage. Großreinemachen. Alles mal frisch streichen.«
    »Wie können Sie so etwas tun? Die Ausfallkosten …«
    »Jeder bekommt sein Gehalt voll weiterbezahlt. Die Sache wäre schon Vorjahren fällig gewesen. Wir schließen dann also vorübergehend …«
    Warum nur? dachte ich. Damit niemand mehr auf dem Gelände herumläuft. Weil sie wissen, oder vermuten, daß Roy noch am Leben ist, und weil ihnen jemand den Auftrag erteilt hat, ihn zu finden und zu töten?
    »Das ist das Dümmste, was ich je gehört habe«, sagte ich.
    Ich hatte die Erfahrung gemacht, daß eine Beleidigung oft die beste Antwort ist. Niemand verdächtigte einen, wenn man seinerseits dumm genug ist, ausfällig zu werden.
    »Wer ist denn auf diese hirnverbrannte Idee gekommen?« fragte ich.
    »Wie meinen Sie das?« blökte Manny und zog sich noch weiter in seinen Kühlschrank zurück. Sein Atem zeichnete sich als Kondensstreifen ab. »Das war meine Idee!«
    »So dumm sind Sie nicht«, stichelte ich. »Sie würden so etwas nie veranlassen. Sie sorgen sich zu sehr ums Geld. Jemand muß Ihnen den Auftrag dazu gegeben haben. Jemand über Ihnen?«
    »Über mir gibt es niemanden mehr!« Doch seine Augen wichen meinem Blick aus, und ich sah seinem Mund an, daß er nach Ausflüchten suchte.
    »Sie wollen das alles auf Ihre Kappe nehmen? Das kostet mindestens eine halbe Million pro Woche!«
    »Na und«, sagte er ausweichend.
    »Da steckt bestimmt New York dahinter.« Ich gab noch eins drauf. »Diese Telefonzwerge aus Manhattan. Blöde Affen. Sie haben nur noch zwei Drehtage, dann ist Cäsar und Christus abgedreht. Was geschieht, wenn J. C. wieder auf Sauftour geht, während Sie die Ateliers streichen …?«
    »Die Szene mit dem Holzkohlenfeuer war seine letzte. Wir nehmen ihn aus der Bibel. Sie tun das. Und noch etwas: Sobald das Studio wieder in Betrieb ist, machen Sie an Tote reiten schneller weiter.«
    Seine Worte schleuderten mir Frost ins Gesicht. Der Frost kroch mir den Rücken hinunter.
    »Das ist unmöglich, ohne Roy Holdstrom.« Ich mußte mich noch plumper, noch naiver geben. »Und Roy ist tot.«
    »Was?« Manny beugte sich vor, kämpfte sichtlich um

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