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Friedhof für Verrückte

Friedhof für Verrückte

Titel: Friedhof für Verrückte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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dahinterliegenden Kirche zugewandt war, antwortete ich: »Schon unterwegs.«
    Ich stieg hinab.
    »Wo willst du hin?« sagte J. C.
    »Dorthin, wo ich schon vor Tagen hätte hingehen sollen …«
    »Du blöder Kerl. Bleib von der Kirche weg! Das ist nicht ungefährlich!«
    »Eine gefährliche Kirche?« Ich machte auf meinem Weg nach unten halt und schaute zu ihm hinauf.
    »Diese Kirche ist nicht ungefährlich! Sie liegt direkt am Friedhof, und spät in der Nacht steht sie jedem Verrückten offen, der vorbeikommt!«
    »Er kommt dort oft vorbei, stimmt’s?«
    »Er?«
    »Genau.« Ich erschauerte. »Bevor er nachts auf den Friedhof geht, legt er dort die Beichte ab, so ist es doch?«
    »Verdammt!« kreischte J. C. »Jetzt bist du verloren!« Er schloß die Augen, stöhnte, und dann richtete er sich auf dem dunklen Balkenkreuz inmitten der Abenddämmerung und der heraufziehenden Nacht ein. »Geh schon! Suchst du den Schrecken? Willst du dich gründlich fürchten? Geh hin und höre dir eine richtige Beichte an. Verstecke dich gut, und wenn er dann zu später Stunde kommt, sehr spät, und du ihm zuhörst, so wird deine Seele einfach zusammenschnurren, verbrennen und sterben!«
    Seine Worte ließen mich den Balken so fest umklammern, daß ich mir mehrere Spreißel in die Handflächen jagte. »J.C.? Du weißt also alles. Sag es mir, in Christi Namen, J. C, sag es mir, bevor es zu spät ist. Du weißt, warum der Leichnam auf der Mauer aufgestellt wurde, und vielleicht hat ihn ja das Monster dort hingestellt, um jemandem einen Schrecken einzujagen, und du weißt vielleicht auch, wer das Monster ist! Sag schon! Sag es mir!«
    »Armer, unschuldiger, dummer Grünschnabel. Um Himmels willen, mein Sohn.« J. C. blickte zu mir herunter. »Du wirst sterben und nicht einmal alle Gründe dafür erfahren.«
    Er streckte seine Hände aus, eine nach Norden und eine nach Süden, und packte den Querbalken, als wolle er davonfliegen. Statt dessen fiel eine leere Flasche herab und zerschellte vor meinen Füßen.
    »Du armer, lieber Dummkopf«, flüsterte er gen Himmel.
    Ich ließ mich den letzten halben Meter hinabfallen. Vom Erdboden aus rief ich noch einmal zu ihm hinauf: »J. C?«
    »Fahr zur Hölle«, sagte er traurig. »Denn ich weiß wirklich nicht, wo der Himmel zu finden ist …«
    Ich hörte ganz in der Nähe Autos und Stimmen.
    »Lauf«, flüsterte J. C. von oben herunter.
    Ich konnte nicht rennen. Ich ging ganz einfach meiner Wege.
     

51
     
    Ich traf Doc Phillips, als er gerade aus Notre Dame herauskam. Er trug einen Plastikbeutel bei sich und wirkte wie einer der Männer, die mit einem Nagelstock in öffentlichen Parks herumlaufen und den Abfall aufpieken, in ihre Beutel stecken und später verbrennen. Doc sah ziemlich verdutzt aus, denn ich hatte schon einen Fuß auf die Stufen gesetzt, als sei ich auf dem Weg zur Heiligen Messe.
    »Sieh an«, sagte er, eine Spur zu schnell und zu herzlich. »Da haben wir ja den Wunderknaben, der Jesus zeigt, wie man über das Wasser spaziert, und der den Judas Ischariot wieder in die Reihen der Schwerverbrecher eingegliedert hat!«
    »Nicht ich war das«, widersprach ich. »Die vier Apostel. Ich nehme nur die Spur ihrer Sandalen auf.«
    »Was treiben Sie hier?« fragte er mich auf den Kopf zu. Sein flackernder Blick musterte mich von oben bis unten, und seine Finger fummelten an der Mülltüte herum. Es roch intensiv nach Räucherstäbchen und nach seinem Parfüm.
    Ich entschloß mich, aufs Ganze zu gehen.
    »Sonnenuntergang. Die beste Zeit zum Umherstreifen. Ja, ich liebe dieses Studio über alles. Ich arbeite darauf hin, es eines Tages zu übernehmen. Aber keine Bange, ich werde Sie behalten. Wenn es soweit ist, lasse ich die Bürogebäude abreißen und alle Leute wirklich in der Geschichte leben. Manny könnte in der Tenth Avenue dort drüben in New York arbeiten! Fritz kommt nach Berlin, dort hin! Ich nach Green Town. Roy? Falls der verrückte Kerl je wieder auftauchen sollte, bauen wir ihm weiter hinten eine Saurierfarm. Ich würde reinen Tisch machen! Anstelle von vierzig Filmen pro Jahr würde ich zwölf produzieren, zwölf Meisterwerke! Maggie Botwin würde ich zur Vizepräsidentin ernennen, sie ist einfach brillant, und Louis B. Mayer würde ich aus dem Ruhestand zurückholen. Und …«
    Mir ging die Puste aus.
    Doc Phillips stand da mit heruntergeklapptem Kiefer, als hätte ich ihm eine tickende Handgranate in die Hand gedrückt.
    »Ist es genehm, wenn ich mich in Notre Dame umschaue?

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