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Friedhof für Verrückte

Friedhof für Verrückte

Titel: Friedhof für Verrückte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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Vorderseite des Gebäudes erwartete mich händeringend Reverend Kempo. Er ging nervös auf und ab, als stecke ihm eine Stange Dynamit im Hinterteil.
    »Gott sei Dank!« rief er und stürzte auf mich zu. Als er vor mir stand, blieb er ängstlich stehen. »Sie sind doch der junge Freund dieser Kreatur dort drinnen, oder?«
    »J.C.?«
    »J. C.! Welch kriminelle Anmaßung! Jawohl, J. C.!«
    »Ich bin sein Freund.«
    »Wie bedauerlich. Kommen Sie, schnell!«
    Er schob mich an den Ellbogen vor sich her in das Gebäude und durch den Mittelgang des großen Versammlungsraums. Er war inzwischen menschenleer. Aus der Höhe kam das leise Geräusch von Federn, als breiteten dort Engel ihre Flügel aus. Jemand probierte gerade die Beschallungsanlage mit unterschiedlichen himmlischen Stimmlagen aus.
    »Wo ist –?« Ich unterbrach mich.
    Denn dort, mitten auf der Bühne, auf dem glänzenden, vierundzwanzigkarätigen Thron Gottes, saß J. C. Aufrecht saß er da, seine Augen blickten geradewegs durch die Wände der Kirche hindurch, und seine Hände ruhten mit den Handflächen nach oben auf den Armlehnen.
    »J. C.« Ich trottete den Gang hinunter und blieb dann erneut stehen.
    Aus den Wundmalen an den ausgestreckten Armen tropfte frisches Blut auf den Boden.
    »Dieser schreckliche Mensch! Ist er nicht widerlich? Raus!« schrie Reverend Kempo hinter mir.
    »Ist das hier eine christliche Kirche?« fragte ich.
    »Wie können Sie wagen, dies zu fragen?«
    »Glauben Sie nicht, Jesus Christus hätte in einer Situation wie dieser Nachsicht walten lassen?«
    »Nachsicht!?« schrie der Reverend. »Der Kerl ist mitten in unsere Andacht geplatzt und brüllte: ›Ich bin der wahre Christus! Ich fürchte um mein Leben! Platz da!‹ Er rannte auf die Bühne, um seine Wunden vorzuzeigen. Ebensogut hätte er sich entblößen können. Ihm vergeben ? Die Leute hier waren schockiert, beinahe wäre ein Tumult ausgebrochen. Vielleicht kommt unsere Gemeinde nie wieder hier zusammen. Wenn die Leute das herumerzählen, wenn die Zeitungen anrufen, verstehen Sie nicht? Er hat uns lächerlich gemacht. Ihr Freund!«
    »Mein Freund …« Meiner Stimme fehlte es an Nachdruck, als ich auf die Bühne kletterte, um mich dann neben die shakespearsche Knallcharge zu stellen.
    »J. C«, rief ich, als stünde er auf der anderen Seite eines Abgrunds.
    J. C.s Augen, die auf die Ewigkeit eingestellt waren, blinzelten und verlagerten dann die Schärfe.
    »Oh, hallo Junior«, sagte er. »Was ist los?«
    »Was los ist? Nichts. Du hast dich nur zum Gespött der Menschen gemacht!«
    »Aber nein, nein!« J. C. sah plötzlich, wo er sich befand und hob seine Hände. Er starrte sie an, als hätte ihm jemand ein Paar Vogelspinnen zugeworfen. »Haben Sie mich schon wieder gegeißelt? Haben Sie mich verfolgt? Ich bin ein toter Mann. Beschütze mich! Hast du eine Flasche mitgebracht?«
    Ich klopfte mir auf die Taschen, als führte ich solche Ausrüstungsgegenstände normalerweise mit mir, und schüttelte den Kopf. Ich drehte mich nach Reverend Kempo um, woraufhin dieser sich unter einer wahren Schimpfkanonade hinter dem Thron zu schaffen machte und mir zu guter Letzt eine Flasche Rotwein hinüberreichte.
    J. C. wollte sie sich sofort krallen, doch ich behielt sie als Lockmittel fest in der Hand.
    »Dort entlang, dann ziehen wir den Korken.«
    »Du wagst es, so mit Jesus Christus zu reden?«
    »Sie wagen es, sich als Jesus Christus zu bezeichnen?« tobte der Reverend.
    J. C. wirbelte herum: »Ich wage es nicht, Sir. Ich bin es.«
    Mit einem durchaus eleganten Anflug von Würde richtete er sich auf und fiel die Stufen hinunter.
    Der Reverend stöhnte auf, als drängten ihn dunkle Mordgedanken, die Fäuste zu gebrauchen.
    Ich half J. C. auf die Beine und führte ihn, die Flasche hin und her schwenkend, sicher zwischen den Stuhlreihen hindurch und zur Kirche hinaus.
    Das Taxi wartete noch. Bevor er einstieg, drehte sich J. C. noch einmal zu dem Reverend um, der mit vor Haß glühendem Gesicht auf der Schwelle stand.
    J. C. reckte seine beiden blutroten Pfoten empor.
    »Ein heiliger Ort der Zuflucht! Ha ha? Eine heilige Zufluchtstätte? «
    Der Reverend brüllte zurück: »Nicht einmal die Hölle, Sir, würde Sie aufnehmen!«
    Rumms!
    Ich stellte mir vor, wie im Inneren des Tempels tausend Engelsschwingen losgerissen wurden und durch die jetzt entheiligte Luft herabtrudelten.
    J. C. stolperte in das Taxi, schnappte sich den Wein und beugte sich zum Fahrer nach vorn: »Gethsemane!«
    Wir

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