Friedhof New York
geben…« Er verstummte, weil etwas mit einem dumpf klingenden Geräusch gegen das Boot gestoßen war. Das Geräusch wiederholte sich.
Erst jetzt sahen wir, was da von der Küste des zerstörten New Yorks herangetrieben worden war.
Menschen… lote Menschen – Leichen…
Männer, Frauen, Kinder. Sie alle hatten den Tod gefunden, als die Häuser zusammengebrochen waren. Einige Opfer lebten noch. Wir schauten in halb zerstörte Gesichter. Wir lasen in den stummen Augen die schrecklichen Anklagen und fühlten uns persönlich betroffen.
Der Friedhof New York hatte uns erreicht. Es war ein Blick in die Zukunft geworden, und ich konnte nicht mehr hinschauen, denn ein Meer von Leichen schwamm auf dem schwarzen Wasser.
Das war Jerichos Spiel.
Noch ein Alptraum, aber gleichzeitig ein grausamer Blick in die Zukunft der realen Welt.
Abe Douglas konnte den Anblick nicht mehr ertragen. Er hatte sich wieder hingehockt und die Hände gegen sein Gesicht gepreßt.
»Es ist das Ende. Jericho hat gewonnen. Er hat seine Rache genommen. Nie mehr werden wir ihm…« Er brach ab, und ich konnte ihm keine tröstende Antwort geben.
Mit einem derartigen Schrecken hatte ich nicht gerechnet. Er mußte die Schläfer voll unter Kontrolle haben. Er hatte ihnen allen wahrscheinlich den gleichen Traum geschickt, denn nur die Kraft der Masse hatte so was bewerkstelligen können.
Noch immer trieben die Toten vorbei und hinaus auf das offene Meer.
Ich sah dünne Rauchwolken über dem Ort der Katastrophe aufsteigen und konnte mir sogar vorstellen, daß die Vernichtung der Stadt inzwischen fortgeführt wurde. Nur eben nicht so nahe an der Küste. Für uns deshalb nicht sichtbar.
Und dann sackte das Boot plötzlich nach vorn. Wir machten die Bewegung mit, selbst Abe ließ seine Hände sinken. Es sah so aus, als wollte es kentern, und eine Leiche wäre fast aus dem Wasser hervor auf unser Boot gestoßen worden.
Wir hatten beide Mühe, den Blick abzuwenden, denn der Arm der Leiche schlug noch einmal in die Höhe, und eine zur Klaue gekrümmte Hand wollte sich irgendwo festklammern.
Da richtete sich das Boot wieder auf, und der Arm rutschte ab und verschwand im teerigen Wasser.
Daß sich der Kahn so stark nach vorn hin bewegt hatte, dafür gab es einen Grund.
Als wäre sie aus dem düsteren Himmel gefallen, stand die Gestalt plötzlich auf dem Boot. Und sie hielt sich direkt vor dem Sensenmann auf. Sie gehörte nicht in diese Traumwelt hinein, denn sie war kein Monster oder ein anderes entartetes Traumwesen.
Es war ein Mensch.
Es war Suko!
***
Wieder hatte dieser fürchterliche Fall einen neuen Glanzpunkt bekommen. Ob positiv oder negativ, das würde sich noch herausstellen.
Jedenfalls hatten Abe und ich damit nicht gerechnet. Das Erscheinen meines Freundes bewies uns gleichzeitig, daß er nicht aus diesem Fall ausgeklammert worden war und mitmischte, was ich von Chato auch hoffte. »Das ist doch Suko!« hauchte Abe.
»Sogar in Lebensgröße.«
»Ein Trugbild?«
»Weiß ich nicht!« Ich mußte mich räuspern und bewegte mich näher auf die Bootsmitte zu. »Glaube ich auch nicht. Suko wird von Jericho ebenso in die Träume seiner Diener hineingezogen worden sein.«
»Dann ist es vorbei!«
Der G-man hatte etwas festgestellt, und er hörte von mir auch keinen Widerspruch. Ich wollte wirklich nicht daran glauben, aber ich mußte mich den Tatsachen stellen, und die sahen einfach für uns nicht gerade günstig aus.
Jericho war entschlossen, uns zu vernichten. Ich fragte mich nur, für welche Möglichkeit er sich entschieden hatte. Logisch wäre es gewesen, wenn er uns in dieser Welt getötet hätte, denn wir waren ja als Lebende hier existent, konnten Schmerzen erleben und auch Freude. Wir waren also völlig normal.
Drei Gegner hatte er.
Und er hob seine bisher gezeigte ›Humanität‹ auf, denn zum erstenmal seit unserer Ankunft hier bewegte sich das Skelett. Aber nicht allein, auch die Sense machte die Bewegung mit.
Wie ein düster glänzender und scharf geschliffener Halbmond wischte sie schräg von oben nach unten, um meinen Freund Suko in zwei Hälften zu schneiden.
***
Jericho und Chato schauten sich an. Keiner sprach. Bei dem Apachen bewegten sich die Augen, denn er schaute an dem Dämon vorbei.
Dorthin, wo Suko noch vor Sekunden gewesen war. Jetzt war die Stelle leer.
Die Traumwelt hatte ihn aufgesaugt, und auch Chato spürte, wie sich eine andere Dimension in die Realität hineindrängte. Die Träume der Schlafenden
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