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Friedliche Zeiten - Erzählung

Friedliche Zeiten - Erzählung

Titel: Friedliche Zeiten - Erzählung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rotbuch-Verlag
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einem Micky-Maus-Heftchen gelesen, wie man es machen kann, und es war ganz einfach, man brauchte bloß ein bißchen Fahrradkabel, und in die Bärenmilchdose mußte man Salzwasser füllen. Die Augenbrauen waren nur ein bißchen angesengt, aber die Wimpern waren ziemlich ab und die Ponyhaare auch alle, und schließlich brauchte man nichts weiter als die Kabelenden auseinanderzufummeln, zwei um die Batterielaschen zu wickeln und die anderen Enden in die Löcher der Bärenmilchdose zu stecken; alles mit Leukoplast zukleben, und ein paar Stunden warten, sagte Flori, und als ich ihn abgewischt hatte, sah man es noch, aber er war nicht mehr ganz so weißlich. Inzwischen wunderte er sich immer noch, daß es geklappt hatte, und Wasa fing an zu schimpfen, daß er nicht auch noch stolz darauf sein sollte. Also Leukoplast auf die Büchsenlöcher und ein paar Stunden warten, sagte Wasa, und wir waren froh, daß niemand den Knall gehört und im Fahrradkeller nachgesehen hatte. Flori hatte also ein paar Stunden im Fahrradkeller gesessen und gewartet, und dann, sagte er, brauchst du bloß das Leukoplast von dem einen Loch aufzumachen, Streichholz dran und bumm. Ich sagte, dafür habe ich gestern abend ein Röhrchen Schlaftabletten ins Klo gespült, oder was, daß du dich in die Luft jagst und bumm, aber Flori wußte ja nichts von dem Röhrchen Schlaftabletten, und ich hätte es ihm auch nicht erklären können, weil er es nicht geglaubt hätte.
    Schließlich hörten wir, wie die Mutter aus dem Küchenfenster nach uns rief, und gingen rauf. Sie sagten uns, daß sie es noch einmal miteinander versuchen wollten, und Wasa sagte später, sie wäre ein bißchen erleichtert gewesen, weil sie zwar sehr froh wäre, wenn sie sich scheiden ließen, aber es wäre ihr lieber, wenn sie es nicht wegen ihrer Tage tun, sondern vielleicht beim nächsten Mal. Ich sagte, es sieht so aus, als könnte es bis zum nächsten Mal etwas dauern, weil die Eltern uns nicht nur gesagt hatten, daß sie es noch einmal miteinander versuchen wollten, sondern der Vater hatte auch noch gesagt, daß wir vielleicht ein Haus bauen wollen, weil das ganze Elend mit dieser Vorort-Wohnung zusammenhängt, in der wir auch nur zur Miete wohnten, und ich hatte ihn gleich im Verdacht, daß er in einem eigenen Haus die Schlüsselprobleme von vornherein auf seine Weise zu lösen versuchen würde, ich dachte, er versucht es wahrscheinlich grundsätzlich und gründlich, und war gespannt, wie er es machen würde und ob er es mit Innenriegeln und Rot und Grün, Besetzt und Frei machen würde, wie es in der Schule war. Ich war auch gespannt, ob er es schaffen würde.
    Flori war einigermaßen aus seiner Wasserstoffbombengeschichte herausgekommen, weil beide Eltern so mit dem Hausbau beschäftigt waren, daß sie gar nicht auf seine abgesengten Wimpern achteten, und erst am Abend, als er mit der Mutter im Badezimmer war, fiel es ihr auf, aber da er noch lebte, brauchte er ihr nur zu versprechen, es ihr nicht wieder anzutun. Er war selbst so verwundert gewesen, daß es geklappt hatte, er würde es so schnell nicht wieder machen. Aber trotzdem war er traurig, daß sie ein Haus bauen wollten, weil er befürchtete, daß in dem Haus dann kein Fahrradkeller wäre oder bloß so ein Fahrradkeller, in dem er nicht gut seine Micky-Maus-Heftchen verstecken konnte. Die Mutter war nie darauf gekommen, daß er sie dort versteckte, wo alle im Haus ihre Fahrräder stehen hatten, und deshalb sah sie im Fahrradkeller nicht nach, aber wenn wir ein eigenes Haus hätten, würde sie ganz bestimmt im Fahrradkeller nachsehen.
    Das Hausbauen war eher die Idee des Vaters gewesen, und schon als sie uns davon erzählten, mußten sie aufpassen, daß sie nicht gleich wieder Streit bekamen, weil die Mutter eine Menge Sorgen auf sich zukommen sah und den Vater daran erinnerte, daß im Osten ein Haus eine große Belastung gewesen wäre, und sie konnte sich nicht vorstellen, daß es hier im Westen nicht auch zu teuer ist und sich eigentlich nicht lohnt, wenn sie an die viele Arbeit denkt, die mit dem Hausbauen und Haushaben verbunden ist. Die Mutter wollte also wegen der Belastung lieber kein Haus, und der Vater hatte es nur ganz knapp geschafft, den Hausbau an dem Abend durchzusetzen, und das auch nur deshalb, weil sie wahrscheinlich Angst hatte, wenn sie ihm den Hausbau jetzt ausredet, geht er wieder weg und sie muß morgen wieder wer weiß was in seiner Jackentasche finden, und wahrscheinlich wieder doppelt. Also waren

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