Friedliche Zeiten - Erzählung
Häuser zum Wohnen, sie sind nur zum Ansehen, und dann überlegen wir, ob wir solch ein Haus wollen, und wenn genug Leute solch ein Haus wollen, wird der Acker mit solchen Häusern vollgebaut, und das Bauen selbst geht ruckzuck, eine Sache von ein, zwei Tagen. Die Zeiten sind vorbei, sagte der Vater, wo jede Mauer vom Maurer persönlich noch so hochgezogen werden mußte, daß man sie hinterher nicht so leicht wieder abreißen kann, das ist längst technisch veraltet, und heute werden Häuser auf dem Lkw gebracht, ruckzuck hingestellt, und ruckzuck kann man sie wieder abreißen. Was heißt abreißen, sagte der Vater, sie werden einfach verladen und weggeschafft. Wir konnten uns nicht entschließen, welches von den Häusern wir auf den Acker gebracht bekommen wollten, einmal hatte die Mutter Sorge, daß das Haus oder der Garten zu groß wäre, und sie hatte nichts gegen Haus- oder Gartenarbeit, weil sie sich erinnerte, daß sie als Kind gern Johannisbeeren aus dem Garten gepflückt und dann gleich gegessen hatte, aber sie sagte, bis das alles heranwächst, und dann wurde sie traurig, und alle wußten, warum sie traurig wurde, und dann fanden wir schnell etwas an dem Haus auszusetzen, damit sie nicht sterben mußte, bevor die Sträucher gewachsen waren. Wasa fragte, gibt es vielleicht auch Häuser, wenn man die hinstellt, sind schon fertige Sträucher dabei, aber der Vater sagte, es gibt solche Häuser, aber die sind noch auf diese technisch veraltete Weise vom Maurer persönlich gebaut, und wir können sie uns nicht leisten.
Immer wenn der Vater sagte, daß etwas technisch veraltet wäre, mußte ich an den dritten Weltkrieg denken. Zwar hatten wir mit dem verdammten Krieg, den die Amis in Asien machten, unseren Krieg schon irgendwie hinter uns gebracht, aber ich war doch nie ganz restlos überzeugt, ob die Menschengeschichte uns durchgehen lassen würde, daß wir sie so beschummeln. Ich dachte, es ist sinnlos, in der Vorort-Wohnung zu sitzen und nichts machen zu können als warten, ob die Menschengeschichte es uns durchgehenläßt, aber immer wenn ich an den dritten Weltkrieg dachte, war ich in der Sache nicht mehr so überzeugt von dem Hausbauen, und wenn das Haus fertig angeliefert plötzlich da stünde, hätte ich von gestern auf heute niemanden mehr vor dem Einschlafen, weil es Wasa und mich schon zertrennte, wenn wir vor dem Einschlafen nur davon sprachen, daß wir dann jede ein eigenes Zimmer hätten. Nur Wasa und der Vater waren noch für das Hausbauen, Flori und ich fingen an, in der Sache auf die Seite der Mutter zu geraten, obwohl ich nicht auf eine andere Seite als Wasa geraten wollte.
Durch das Hausbauen erinnerte sich die Mutter jetzt oft an früher, weil sie im Osten ein Haus gehabt hatten, nur daß dort ihre Mutter immer die Schlüssel verschwinden ließ, und hinter dem Haus war ein Garten mit Sträuchern gewesen. Der Vater erinnerte sich nicht sehr gern an das Haus und den Garten, er sah sich die Hauspläne an, die alle paar Tage mit der Post geschickt wurden, und zeichnete mit dem Lineal Zimmer in die Pläne. Manchmal sah er auf und fragte, ob eine Tür nach innen oder nach außen aufgehen soll. Man brauchte es nur einzuzeichnen, und es wurde dann ruckzuck so angeliefert und hingestellt, wie man es haben wollte. Die Mutter bekam vom Erinnern Heimweh, und dann legte sie das Stopfei beiseite und holte den Schuhkarton mit den alten Fotos. Die Fotos waren inzwischen richtig braun und dunkel, man konnte nicht viel darauf erkennen, und ich konnte nicht verstehen, wie sie Heimweh nach dem haben konnte, was auf den braunen Fotos drauf war, aber sie sagte, wie fröhlich wir damals waren. Flori sagte, wir doch nicht, wir waren doch noch gar nicht auf der Welt. Auf einem Foto war die Mutter, und sie sah heute viel jünger und hübscher aus als auf dem Foto. Sie sagte, wie haben wir damals gelacht, aber auf dem Foto lachte sie nicht, und es war mir auch lieber, daß sie nicht lachte, weil das Foto gemacht worden war, als Krieg war, und ich wollte nicht, daß sie gelacht hatte, als Krieg war. Dann sah sie sich lange das Foto mit der Uniform an, in der ihr Verlobter steckte, und wenn der Vater es merkte, sah er von seinen Hausplänen auf und tröstete sie, daß ihr Verlobter erschossen worden war. Sie sagte, ausgerechnet er und ausgerechnet von Partisanen, hinterrücks von Partisanen erschossen, feige, wie Partisanen sind. Der Vater wollte während des Hausbauens keinen Streit, aber manchmal gab es doch wieder
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