Friedo Behuetun 02 - Dunkles
Gurke und Senf. Weit unten erstreckte sich das Wiesenttal, schon leicht im schrägen Gegenlicht der späten Nachmittagssonne, das Walberla, der Berg der Gegend, ein Sattelberg, auch Zeugenberg, zeigte sich in seiner ganzen Pracht, und die Landschaft leuchtete golden. Wie das Bier im Glas, Rittmayer, Hallerndorf. Warum eigentlich keines aus Pretzfeld, dachte sich Behütuns. Oder aus Wannbach, das gehörte doch fast dazu? Da gab es doch auch kleine Brauereien. Ebenso in Unterzaunsbach, Dietzhof und wie die alle hießen. Die lagen doch gleich ums Eck oder zumindest im Nebental. Hallerndorf, das war ja fast Bamberg, zumindest drüben, schon auf der anderen Seite der Regnitz. Aber egal. Der Saft war gut und wurde schon seit über 500 Jahren so gebraut. Goldgelb wie das Licht.
Ja, dieser Pretzfelder Kellerberg. Überall im Wald waren hier Keller, hineingegraben in den Sandstein. Einmal imJahr hatten sie offen. Zum Kirschenfest. Dann saß man auf Bänken im Wald und badete seinen Magen in Bier. Einmal so richtig ausschwenken, das tat ihm gut, dem Magen, und der Seele auch. Der Kirschenkeller selbst aber befand sich auf einer Lichtung, und genau darin bestand sein Reiz. Er lag an der Terrassenkante des Berges, und man hatte die Bäume und Büsche zum Tal hin gefällt. So hatte man von den Bierbänken aus immer einen weiten Blick hinab nach Westen, übers Wiesenttal bis nach Forchheim. Unten an den Hängen standen die Obstbäume, meist Kirschen, einer nach dem anderen in Reihen und Zeilen, und die Scheiben der Autos noch weiter unten blitzten im Sonnenlicht immer wieder herauf. Die mussten alle immer irgendwohin. Echt fränkisch-schweizerische Abend idylle.
Doch zuvor noch zum Streitberger Bad. Familienbad. Behütuns wusste gar nicht mehr, wann er das letzte Mal hier gewesen war. Vor drei Jahren vielleicht, oder vier? Er konnte es nicht mehr sagen. In den vergangenen Sommern hatte es einfach nicht mehr geklappt, und der voriges Jahr war sowieso nur verregnet und kalt gewesen.
Von der Bundesstraße, der 470 aus, bog man in Streitberg rechts ab und rumpelte erst über die Schienen der alten Wiesenttalbahn. Da dampfte am Wochenende immer die Museumsbahn der Eisenbahnfreunde entlang. Dann querte man das Tal, an einem Häuschen vorbei, auf einer alten Holzbrücke mit breiten, glänzenden Nagelköpfen über die Wiesent und dann nur noch unter den Bäumen nach links, schon stand man auf dem geschotterten Parkplatz. Ein Kassenhäuschen im Eckturm wie anno dunnemal, mit Sprechfenster und Eintrittskarten zum Abreißen von der Rolle – Wim Wenders hätte seine wahre Freude. Und dann stand man schon im Geviert. Tränen konnten einem in die Augen schießen, wenn man dieses Bad sah. Ein Juwel, noch eine wirkliche Badeanstalt. Eingerahmt auf zwei Seiten durch hölzerne Umkleiden, die Schlüssel dazugab es im Kassenhäuschen – und schon allein der Geruch, den diese Holzhäuschen verströmten! Das war der Duft von Freiheit und Kindheit! Von sorgloser Zeit, von Toben und Denken an nichts. Von Auf-dem-Bauch-Liegen in der Sonne, Prickeln von Brausepulver, von Wasserperlen auf der Haut. So etwas gab es überhaupt nicht mehr. Sind nicht die Gerüche der Kindheit die intensivsten? Prägen sie sich nicht am stärksten ein? Und rufen sie nicht sofort wieder die Bilder der alten, vergessenen Zeit hervor? Ja, so war’s! Dabei war diese Zeit doch eigentlich gar nicht so schön gewesen. Gestrickte Wollbadehosen hatte er tragen müssen, das war damals kaum zu ertragen. Nicht nur, dass sie unmöglich aussahen, es zog sie einem auch noch nach unten, wenn man nass aus dem Wasser kam. Denn wenn die Wolle einmal nass war, war sie chancenlos gegen die Schwerkraft. Und der Gummizug hielt nichts zusammen. Das Freischwimmerabzeichen mit den drei blauen Wellen auf dem weißen Untergrund, das rettete immer ein wenig die Badehose. Das hatten ja noch nicht alle. Egal.
Hellölfarbenblau leuchtete das Wasserbecken, allein der Anblick schon fast Erfrischung genug. Und es zog einen richtig hinein! Ein Schwimmbecken noch mit schrägen Wänden, das kannte man heute überhaupt nicht mehr. Auch noch nicht genormt auf 25 oder 50 Meter, keine Startklötze, keine Bahnen, ganz im Gegenteil in der Mitte quer eine Schnur, die den Nichtschwimmer- vom Schwimmerbereich trennte. Und dieses Wasser! Ganz klar … nein, stimmt gar nicht, es war milchig trüb und Fliegenleichen schwammen darauf. Was soll’s. Es war Quellwasser, das aus dem Berg hinter dem Bad gezapft wurde, jenem
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