Friedo Behuetun 02 - Dunkles
oberhalb der Mittelsmühle.«
»Wo is’n das?« Den Namen hatte Behütuns noch nie gehört.
»Kleingründlach. Eine alte Mühle an der Gründlach.«
Die Gründlach war ein Bach, der sich vom äußersten Norden Nürnbergs Richtung Westen durchs Knoblauchsland schlängelte und dann ins Fürther Gebiet floss. Oder ins Erlanger? Hier stießen die Grenzen der drei Städte aufeinander und waren so verschachtelt und verschränkt, dass man nie genau wusste, wo man sich gerade befand. Komische Grenzführung.
»Na ja, sag ich doch! Das steht irgendwo rum, dann kommen ein paar Jugendliche vorbei, treten es zu Klump und schmeißen es in den Bach.« Behütuns wollte die Sache abhaken, sich lieber dem Bier widmen, dem dritten und vielleicht noch einem vierten. Drüben an einem Tisch hatten FrauenVolkslieder angestimmt. Hohe, gehaltlose Stimmen, dafür umso mutiger. Oder hemmungsloser. Wahrscheinlich irgendein Chor. Oder ’ne Frauengruppe auf Freigang, die ihre Männer verschonten. Er war sich auf einmal nicht mehr sicher, ob er wirklich noch hierbleiben wollte. Wenn angetrunkene Frauen bierselig sangen, und dann auch noch scheel das bundespräsidiale Hoch auf dem gelben Wagen – dann war das an Frohsinn und Lebenslust kaum mehr zu ertragen. Die hatten schon viel zu hoch angefangen und piepsten bei der letzten Silbe von »gelben« nur noch.
»Das Rad sieht verdammt nach ’nem Unfall aus«, sagte Dick. »Und zwar nach einem ziemlich schlimmen.«
»Und ist es das Rad des Mädels?«
»Typ und Farbe stimmen mit den Angaben der Mutter überein. Sie weiß aber noch nichts.«
»Ist ein Unfall gemeldet?«
»Nichts.«
»Die Umgebung abgesucht?«
»’ne Streife war bei der Mühle. Nichts.«
»Hmm. Keine Spur von dem Mädel?«
»Nee.«
»Aber mit der Mutter …«
»Hab ich noch nicht gesprochen, nee. Das wäre noch viel zu früh. Wir haben ja eigentlich nichts.«
»Du.«
»Was, ich?«
»Na, du hast nichts.«
Kurzes Schweigen am anderen Ende.
»Doch, Chef.«
Wieder war es einen Moment still.
»Deshalb ruf ich ja an.«
»Also was?« Der Singsang der Frauen ging Behütuns schon langsam unter die Fingernägel. Das war kein Ort mehr zum Bleiben. Können die nicht zu Hause in der Garage … oder irgendwo in einem schalldichten Keller … Behütuns warungerecht. »Wohlauf, die Luft geht frisch und rein«, sangen die Mädels inzwischen. Zum Kotzen beschwingte Heiterkeit. Der Presssack klumpte schon. Jetzt schunkelten die auch noch so fröhlich hopsend. Die sangen kein Lied zu Ende. Brachen mittendrin immer vor Lachen ab, und dann fiel einer schon wieder ein neues ein, das sie auch sofort anstimmte.
»Erinnerst du dich an die Meldung der Erlanger? Die von dem Autobrand?«
»Jep.«
»Das ist keine 800, höchstens 1000 Meter weit weg.«
»Von was?«
»Von dem Fundort des Fahrrads.«
»Aber doch drüben bei den Erlangern.« Behütuns schob den Teller mit dem Rest Presssack von sich weg. Der war tatsächlich sauer geworden von dem Gesang. Einfach so umgeschlagen, von einem Moment auf den anderen. Ungenießbar. »Das geht uns nichts an.«
»Vielleicht doch …«
»?«
»Das Wandern ist des Müllers Lust, das Wandern ist des Müllers Lust, das Wah-han-dern …« Am Tisch drüben standen drei Männer auf und gingen. Ihre Biergläser waren noch fast halb voll. Er war also nicht der Einzige, dem sich die Fußnägel hochklappten. Die Mädels merkten nichts vor blindwütiger Fröhlichkeit.
»Ich hab bei denen mal angerufen. Die hatten den Wagen gelöscht und dann abgeschleppt. War total ausgebrannt.«
»Ja, und? Jetzt komm doch mal endlich zur Sache!«
»Fidirallallah, fidirallallah, fidirallahllahlahlaahhh.« Es war einfach nicht zu glauben. Wie schnell aus einem Paradies die Hölle werden konnte. Und wie schnell man dann aus dem tiefsten Inneren heraus schlechte Laune bekam, die einen komplett ausfüllte. Komplett bis unter die Oberhaut.
»Ich hab die gefragt, ob an dem Wagen was Besonderes war. Irgendwas Auffälliges, Ungewöhnliches oder so.«
»Und?«
»Den hatten sie sich noch gar nicht angeschaut. Also noch nicht näher.«
»Dann aber schon?«
»Na ja, dann ist mal ’ne Streife hingefahren. Das Auto war in einer Werkstatt in Bruck, Erlangen.«
»Und?«
Jetzt war es wirklich genug! »Ein Prohhsit, ein Prohhsit der Gemüht-lich-keit, ein Prohhsit, ein Pro-hoo-sit der Gemühht-liiich-keiiiiiit« … und ein paar dieser Damen konnten es sich tatsächlich nicht verkneifen, das letzte »lich-keit« von
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