Friendzone oder Sexzone oder Wie werd ich bloß den Trottel los? (German Edition)
stehen etwas abseits und beobachten die Tanzfläche.
„Ich habe über uns nachgedacht!“, schreit er in mein Ohr. Ich verliere vor Schreck fast den Strohhalm. Ruckartig gucke ich ihn an.
„Was meinst du damit?“
„Ich habe mich falsch verhalten … ich hätte es von Anfang an klären sollen.“
Ich wiege den Kopf überlegend hin und her. Dann hätte ich viele Tatorte allein gucken müssen. Gut, das behalte ich erst mal für mich. Oliver kommt näher.
„Ich habe einfach nicht genügend „Attraction“ aufgebaut!“
Ich schaue ihn fragend an. Der Begriff kommt aus der komischen Internetwissenschaft.
Was soll ich darauf antworten?
„Kannst du da konkreter werden?“, ist das Einzige, was mir einfällt.
Er verzieht das Gesicht.
„Das ist ja der ganze Sinn der Sache: Wir haben uns nur auf der Komfortebene getroffen. Es war immer zu gemütlich! Ein Mann, der sich nur auf dieser Ebene bewegt, schafft eine Basis für Vertrauen und Freundschaft, aber nicht für Sex!“
Das letzte Wort schreit er raus. Dann schaut er mich erwartungsvoll an. Ich nicke vorsichtshalber.
„Aber umso mehr eine Verbindung nur auf Vertrauen beruht, umso weniger will die Frau mit dem Mann schlafen. Wir haben eine Beziehung geführt, wie sie alte Eheleute führen!“
Sein Gesicht leuchtet. Ich versuche ihm zu folgen. Es macht in seiner absurden Logik sogar ein bisschen Sinn. So wie ich mit Oliver immer vor dem Fernseher saß, so wollte ich später mit meinem Mann vor dem Fernseher sitzen. Der sah allerdings nicht aus wie Oliver.
„Ich hätte viel dominanter auftreten sollen …“, schreit Oliver.
Ich wiege den Kopf nachdenklich.
„Dann hättest du mich für höherwertig gehalten … und dann wärst du auch mit mir ins Bett gegangen!“
Aha. So ist das also. Jetzt darf ich auch mal sprechen?
„Ging es dir denn darum?“
„Häh?“
„Na darum, mich ins Bett zu kriegen?
Oliver wackelt ganz komisch.
„Nein … ich liebe dich …!“
Okay … Ganz schnell schließe ich meine Augen.
„Welche Augenfarbe habe ich …?“
Die Bässe wummern. Die Körper fliegen um uns herum. Ich höre Schreie, ich höre Keuchen … ich höre Doctor Alban. Aber Oliver bleibt still. Ich gebe ihm richtig viel Zeit. Bis das blöde Sing Halleluja zu Ende ist. Aber er sagt die ganze Zeit nichts. Dann mache ich endlich die Augen auf. Sie sind übrigens grün. Oliver ist weg.
Und damit verschwindet auch alles, was die Friendzone angeht, aus meinem Leben.
5 Meine Zone
Ich habe wieder mein kleines Schwarzes an und sitze in der Bar. Aber diesmal bin ich nicht allein. Während wir einen leichten Cocktail schlürfen, denke ich über die vergangenen Tage nach. Mario, Jessica und meine Oma hatten recht. Friendzone oder Sexzone. Entweder oder … Man muss sich entscheiden. Das Hinhalten mit der Leine kann vielleicht eine Jessica machen, aber sie weiß auch, dass diese Sachen endlich sind. Sie hat den materialistischen Charakter dieser Beziehungen völlig durchschaut und ist happy damit. Soll sie doch. Ich habe meine Konsequenzen gezogen. Weder Oliver noch Mario sind in meinem Handy gespeichert. Ich will niemand falsche Hoffnungen machen, um nicht allein Tatort gucken zu müssen. Tief in meinem Inneren habe ich so eine Ahnung, dass ich wohl viel Zeit mit Jessica verbringen werde. Muss sie halt mit mir Tatort gucken. Vielleicht gar nicht schlecht, wenn sie ihre Bildung nicht nur aus Sitcoms bezieht. Aber ich gebe es nicht auf, irgendwann werde ich den Mann finden, der nicht auf mich steht und mit mir Tatort gucken will. Der Mann, der vor mir sitzt, will es nämlich leider nicht.
„Also Jule, dass ich jetzt früher kommen musste, weil du so Sehnsucht hast, ist wirklich ganz süß, aber für das Praktikum war das nicht so toll. Du hast da ganz schön viel von mir verlangt“, sagt Willy und dreht sein Cocktailglas.
„Ich weiß …“, flüstere ich. „Aber ich wollte dir etwas zeigen …“
Willy stöhnt.
„Und was soll das sein?“
„Kennst du den Unterschied zwischen der Friendzone und der Sexzone?“
Auch Willy guckt mich an wie ein sprechendes Auto. Aber plötzlich ist er hellwach und sehr neugierig.
ENDE
Der dunkle See
Eine Erzählung
von
Vanessa Moore
Copyright 2011-11-02 V. Moore
Bamberg
Deutschland
Vervielfältigung und Übersetzung des Textes sind untersagt.
Ähnlichkeiten von Romanfiguren mit real existierenden Personen sind rein zufällig.
Deutscher Erstveröffentlichung
Alle Rechte
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