Friesenrache
Ermittlungen der Polizei.
»Und was hat dieser Barne Christiansen mit dem Fall zu tun?«
Sie zuckte mit den Schultern und schilderte den Eindruck, welchen sie aus dem Gespräch mit dem ehemaligen Dorfbewohner am Wochenende gewonnen hatte.
»Ich glaube nicht, dass er der Täter ist, aber er ist natürlich verdächtig. Immerhin hatte er ein Motiv.«
Ein etwas korpulenter Herr im dunklen Anzug fragte, ob der Verdächtige denn ein Alibi besäße. Wahrheitsgemäß antwortete sie, dass sie das nicht wüsste. Die Polizei würde das allerdings sicher noch überprüfen. Außerdem gäbe es auch noch weitere Personen, die verdächtig wären. Sie berichtete von dem Bruder des Opfers und den Landwirten, denen Kalli Carstensen Land beim Glücksspiel abgerungen hatte.
»Und ein Unfall scheidet definitiv aus?« Die anwesenden Gäste schienen sich mit der Vorstellung eines frei umherlaufenden Mörders, der in ihrem friedlichen Landkreis sein Unwesen trieb, nicht anfreunden zu können. Marlenes Bild von der Idylle Nordfrieslands war allerdings bereits seit dem Verbrechen an ihrer Freundin Heike zerstört.
»Also wenn Sie mich fragen«, antwortete sie deshalb mit fester Stimme, »gibt es zu viele Verdächtige, als dass man einen Mord ausschließen könnte.«
Tom und Haie hatten sich nach dem Gespräch mit Kommissar Thamsen in die ›Alte Schmiede‹ zum Mittag essen begeben. Marlene würde ohnehin erst am Nachmittag vom Institut zurückkehren, und die Diskussionen über den Mörder Kalli Carstensens hatten sie hungrig gemacht, zumindest Haie.
»Also, ich bin mir ziemlich sicher, dass dieser weiße Wagen etwas mit dem Mord zu tun hat«, äußerte er, während sie auf ihr Essen warteten. »Auswärtiges Kennzeichen, das ist doch verdächtig. Und dann um diese Uhrzeit.«
Tom war skeptisch und gab zu bedenken, dass es sich auch um einen Urlauber handeln konnte. Immerhin hielten sich um diese Jahreszeit noch zahlreiche Touristen in Nordfriesland auf.
»Aber die rasen nicht mit 180 Sachen nachts durchs Dorf«, verteidigte Haie seine Sicht der Dinge.
»Aber wenn es ein Mietwagen gewesen ist, dann kann es auch jeder andere aus dem Dorf gewesen sein. Ist ja nicht so, dass nur Barne sich einen Leihwagen hätte nehmen können.«
»Schon, aber wieso sollte sich jemand aus dem Dorf einen Wagen leihen? Die haben doch alle mindestens ein oder zwei Autos.«
»Außer dir«, bemerkte Tom und lächelte dabei süffisant.
»Ich habe auch keinen Führerschein«, äußerte sich Haie etwas beleidigt auf die herablassende Anspielung des Freundes. Für ihn stand so gut wie fest, Barne musste am Dienstag von der Insel aufs Festland gereist sein. Dort hatte er sich einen Mietwagen genommen und seinen Widersacher gnadenlos über den Haufen gefahren. Da gab es seiner Ansicht nach nichts zu diskutieren. Gleich am Nachmittag würde er sämtliche Autovermietungen im Umkreis anrufen und zu Barne befragen. Wer wusste schon, ob die Polizei sich ausreichend um diesen wertvollen Hinweis von Ole Jessen kümmern würde?
Das Essen wurde serviert, und er langte kräftig zu. Das Grillhähnchen schmeckte vorzüglich. Die Haut war knusprig braun und das Fleisch saftig.
»Meinst du eigentlich, dass Thamsen persönlich nach Wyk fahren wird?«, fragte er und nagte dabei genüsslich die Reste von einem Knochen. Das Bratenfett lief ihm dabei links und rechts am Mund vorbei das Kinn hinunter.
Tom stocherte lustlos in seinem Salat.
»Keine Ahnung.« Er war mit seinen Gedanken bereits wieder bei seinem Beziehungsproblem.
»Aber irgendwie muss er ja Barnes Alibi überprüfen. Wenn der überhaupt eines hat.« Er schob den Teller von sich und griff zu einem Stapel Servietten. Während er seinen Mund sorgfältig von den Spuren des köstlichen Mahls befreite, betrachte er seinen Freund, der immer noch vor einem vollen Teller saß. Augenblicklich fiel ihm wieder die Diskussion ein, welche sie auf der Polizeidienststelle vor dem Eintreffen des Kommissars geführt hatten.
»Wieso hast du Marlene nichts von Monika erzählt?«
Tom holte tief Luft und schob nun ebenfalls seinen Teller von sich. Die Angelegenheit mit seiner Exfreundin verdarb ihm jeglichen Appetit. Als er Marlene kennengelernt hatte, war er sich anfänglich unsicher gewesen, wie die Dinge sich entwickeln würden. Er hatte ihr absichtlich nichts von seiner Beziehung in München erzählt. Vermutlich weil er selbst nicht gewusst hatte,
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