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Friesenrache

Friesenrache

Titel: Friesenrache Kostenlos Bücher Online Lesen
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Deshalb schob sie zunächst den Mord an Kalli Carstensen vor und schilderte, was sich vor einigen Tagen in dem Dorf, in dem sie lebte, ereignet hatte.
      »Echt krass«, kommentierte Ari ihre Darstellung der aktuellen Ereignisse in Risum-Lindholm. Sie erzählte von dem Leichenfund, dass der Tote ein alter Schulkollege ihres Freundes gewesen sei und sie sich deshalb an der Mördersuche beteilige.
      »Es gibt jede Menge Verdächtige, aber mittlerweile bin ich mir unsicher, welches das stärkere Motiv für einen Mord ist. Geld oder Liebe?«
      Er wiegte nachdenklich seinen Kopf hin und her, und sie berichtete von dem Erbstreit und Barne Christiansens Anschuldigungen gegen den Ermordeten.
      »Liebe ist schon ein ziemlich starkes Motiv«, unterstützte Ari ihren Verdacht, gab jedoch zu bedenken, dass womöglich noch weitere Personen Kalli Carstensen lieber tot als lebendig hatten sehen wollen.
      »Was ist denn mit der Ehefrau? Ich hab mal gelesen, dass häufig auch die Frauen als Mörderinnen ihrer Ehegatten auftreten.« Marlene runzelte ihre Stirn.
      »Und welches Motiv soll Sophie Carstensen deiner Meinung nach gehabt haben? Eifersucht kommt doch wohl kaum in Betracht, dann hätte sie ja wohl eher die Nebenbuhlerin umgebracht, oder?«
      Ihr Gegenüber lächelte über ihre direkte und unverblümte Schlussfolgerung. Er fand sie sympathisch.
      »Da gibt es viele Gründe, warum eine Frau ihren Mann umbringt. Habt ihr die Familienverhältnisse schon einmal durchleuchtet? Vielleicht wollte er sich scheiden lassen? Oder er hat sie jahrelang gepiesackt. Gewalt in der Ehe ist bestimmt ein ebenso verbreitetes Mordmotiv wie Geld oder Liebe. Sie muss ja nicht immer körperlich angewandt werden.«
      »Gewalt in der Ehe?«
      Marlene schüttelte ungläubig ihren Kopf. Nicht, dass sie von dem Umstand, dass einige Männer ihre Ehefrauen wie den letzten Dreck behandelten, noch nie etwas gehört hatte, doch konnte diese Tatsache wirklich in Betracht gezogen werden? Die Frau konnte doch gehen. Da musste man ja nun nicht gleich zur Mörderin werden. Sie blieb skeptisch.
      »Nehmen wir einmal an, Kalli Carstensen hätte seine Frau misshandelt. Meinetwegen jahrelang. Wieso aber sollte sie ihn dann umgebracht haben? Sie hätte doch ihre Koffer packen und gehen können.«
      Ari nickte. Das hätte Sophie Carstensen sicherlich tun können. Aus Marlenes und seiner Sicht wäre das unter Garantie die einfachste Lösung des Problems gewesen. Doch sie durften auch nicht vergessen, dass die Frauen, die unter häuslicher Gewalt litten, in einem Zwiespalt steckten.
      »Wer gab dir Liebe die Gewalt? Oder vielleicht sollte man in solch einem Fall lieber fragen: Wer gab dir Liebe die Kraft, all die Gewalt zu ertragen?«

    Sophie Carstensen saß in eine karierte Wolldecke gehüllt auf dem Sofa und blickte auf die dampfende Tasse Tee, die Ulf vor ihr auf den hölzernen Couchtisch gestellt hatte. Das feine Bändchen des Teebeutels hing einsam und verlassen über den Becherrand. Dem eckigen Etikett an dessen Ende entnahm sie, dass ihr Sohn einen Kamillentee, vermutlich zur Beruhigung, für sie aufgebrüht hatte.
      Doch sie war ganz ruhig, beinahe gelähmt. Nur das schmerzhafte Pochen in ihrem Arm erinnerte sie daran, dass sie noch lebendig war. Dabei hätte sie sich nach dem peinlichen Vorfall in der Gastwirtschaft am liebsten in Luft aufgelöst. Wollte nicht mehr da sein, sondern den mitleidigen Blicken der anderen entfliehen. Sie konnte sich ohnehin denken, was man über Friedhelms Auftritt dachte und darüber im ganzen Dorf reden würde. Sie wollte davon nichts hören.
      Nachdem ihr Schwager endlich aus dem Lokal entfernt worden war, hatte Martin Münsterthaler ihr angeboten, sie nach Hause zu begleiten. Doch sie hatte dankend abgelehnt. Sie wollte nach dem beschämenden Schauspiel in der Wirtschaft allein sein.
      Sophie Carstensen griff nach der Teetasse und schloss die Augen. Das war es nun also gewesen. Sie hatte ihren Ehemann beerdigt, das gemeinsame Leben war damit endlich vorbei. Nun war sie auf sich allein gestellt. Doch wie sollte es weitergehen? Wollte sie überhaupt im Dorf bleiben? Würde sie das Gerede der Leute ertragen können?
      Und wohin sollte sie gehen? Ihr Zuhause und ihre Familie waren doch nun einmal hier. Oder hatte sie keine Familie mehr? Die vielen Fragen, auf die sie keine Antwort wusste, surrten wie ein wild gewordener Bienenschwarm durch ihren Kopf. Äußerlich ganz ruhig, fühlte

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