Friesenrache
sie sich innerlich aufgewühlt und zerrissen.
Sie hörte Schritte. Ulf betrat das Wohnzimmer. Sein Blick wirkte besorgt, als er fragte:
»Ich müsste dann los. Kommst du zurecht?«
Sie nickte. Was sollte sie auch anderes tun? Mühsam erhob sie sich von der abgewetzten Couch und begleitete den Sohn zur Tür.
»Meinst du eigentlich, Friedhelm ist wirklich froh, dass Papa tot ist?« Der Vorfall auf der Trauerfeier ließ ihr keine Ruhe.
»Ach, Mama«, seufzte Ulf, »Onkel Friedhelm war nur betrunken. Papas Tod macht ihm, glaube ich, mehr zu schaffen, als wir denken. Mach dir nicht allzu viele Gedanken. Ich ruf dich später an.« Er küsste seine Mutter flüchtig auf die Wange, bevor er das Haus verließ und durch den Regen zu seinem Wagen lief.
Sophie Carstensen beobachtete, wie er in seinen alten Mercedes stieg und davonfuhr. Er ist froh, dem allen hier entfliehen zu können, dachte sie und schloss die Tür, nachdem der Wagen den Hof verlassen hatte und das Motorengeräusch verklungen war.
»Wenn ich das doch auch nur könnte«, seufzte sie und ging zurück ins Wohnzimmer.
Haie schloss gerade die Haustür auf, als er das Telefon im Flur klingeln hörte.
»Ketelsen?«
Es war Marlene. Ohne Umschweife erzählte sie von dem Verdacht, die Witwe des Ermordeten könne eventuell etwas mit dessen Tod zu tun haben. Ihre Stimme klang aufgeregt.
»Ich habe mich mit einem völlig Unbeteiligten über die ganze Angelegenheit unterhalten, und der ist auf die Idee mit der Misshandlung gekommen.«
Haie dachte an Sophie Carstensens angeblichen Fahrradunfall. Die Sache war ihm zwar merkwürdig vorgekommen, dennoch traute er der Hinterbliebenen keinen Mord zu.
»Heute war übrigens die Trauerfeier. Friedhelm Cars tensen hat sich einen unmöglichen Auftritt geleistet.« Er berichtete ihr von dem Vorfall in der Gastwirtschaft.
»Das klingt mir aber verdächtig«, entgegnete sie. »Hast du denn mal mit ihm gesprochen?«
Er verneinte. Dazu sei er überhaupt noch nicht gekommen. Und Ole Jessen und Manni Thiele wollte er zu dem auffälligen weißen Wagen auch noch befragen.
»Wir könnten hier dringend deine Hilfe gebrauchen. Wann kommst du zurück?«
Sie zögerte. Natürlich würde sie dem Freund gerne bei der Suche nach dem Mörder seines Schulfreundes unterstützen, wenn da nicht diese ungeklärte Sache mit Tom wäre.
»Ihr solltet euch aussprechen«, versuchte er zu vermitteln.
»Mhm.«
»Ihr könnt das nicht einfach aussitzen. Tom tut die ganze Sache unheimlich leid. Er hatte vor, dir von Monika zu erzählen, aber irgendwie hat er nie den passenden Augenblick gefunden.«
»In über drei Jahren kein passender Augenblick?«
Sie hatte recht. Auch ihm war es unverständlich, wie Tom so lange hatte schweigen können. Er hätte mit Marlene sprechen müssen. Spätestens, nachdem Monika sich wieder gemeldet hatte. Doch nun war es dafür zu spät. Jetzt konnte er nur noch versuchen zu retten, was zu retten war, und Haie empfand es als seine Pflicht, den Freund dabei zu unterstützen.
»Ich kann verstehen, dass du enttäuscht und verletzt bist. Aber gib ihm eine Chance. Er liebt dich!«
Er hörte sie schwer atmen. »Ich denk drüber nach«, antwortete sie schließlich.
13
Thamsen lenkte seinen Wagen über die Bundesstraße Richtung Flensburg. Kurz hinter Handewitt fuhr er auf die Autobahn. Er hatte einen Termin bei Dr. Münsterthaler in Rendsburg.
Während der Fahrt ging er in Gedanken nochmals die Geschehnisse des vergangenen Tages durch. Die kuriose Trauerfeier, der beschämende Auftritt Friedhelm Carstensens in der Gaststätte und das seltsame Gespräch, welches sich ergeben hatte, während er den Betrunkenen und dessen Frau nach Hause brachte. Wiederholt hatte der Bruder des Ermordeten betont, er sei froh, dass das unliebsame Familienmitglied endlich unter der Erde sei. Irmtraud Carstensens Versuche, ihren Mann zurechtzuweisen, waren erfolglos geblieben. Sie hatte sich immer wieder für das unmögliche Verhalten ihres Ehegatten entschuldigt, der lauthals vom Rücksitz verkündete, was für ein Schwein sein Bruder gewesen sei und er es nicht anders verdient hätte, als dass irgendjemand ihm endlich den Garaus machte.
»Und dieser jemand waren nicht zufällig Sie?«, hatte Thamsen gefragt, worauf der betrunkene Bäckergeselle nur lauthals gelacht hatte.
»Wegen so einem mach ich mir doch nicht die Hände
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