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Friesenrache

Friesenrache

Titel: Friesenrache Kostenlos Bücher Online Lesen
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hinaus an die frische Luft. Die Sonne schien immer noch herrlich warm und bot einen krassen Gegensatz zu den düsteren Kellerräumen der Leichenhalle. Er atmete tief durch, ehe er sich auf den Weg zurück in die Dienststelle machte. Irgendwie fühlte er sich erleichtert. Er hatte zwar schon des Öfteren einer Obduktion beigewohnt, war aber immer wieder froh, wenn er diesem unschönen Szenario entkommen konnte.
      Er stieg in seinen Wagen, den er vor dem Polizeigebäude geparkt hatte, und fuhr Richtung Herrenkoog. Auf der Bundesstraße herrschte dichter Verkehr. Jede Menge Urlauber waren anscheinend vor Kurzem mit einem der Autozüge aus Westerland auf dem Festland eingetroffen und fuhren zurück gen Süden. Beinahe im Schritttempo rollte die Blechlawine über die B5, und Thamsen war froh, als er endlich das Ortsschild RisumLindholms passierte und in die Dorfstraße abbiegen konnte.
      Auf dem Hof war einiges los. Neben seinen Kollegen von der Schutzpolizei und dem Team der Spurensicherung hatten sich auch etliche Schaulustige am Tatort versammelt. Die Nachricht über den Selbstmord Sophie Carstensens hatte sich schnell im Dorf herumgesprochen. Er musste sich regelrecht durch eine Schar neugieriger Zuschauer kämpfen, ehe er an der Haustür auf einen seiner Flensburger Kollegen traf.
      »Gut, dass Sie kommen«, begrüßte der Beamte ihn. »Wir haben ein Geständnis.«
      Thamsen runzelte die Stirn.
      »Was für ein Geständnis?« Ihm war nicht klar, was der Kriminalist meinte. Handelte es sich womöglich doch nicht um einen Selbstmord? Gab es einen Täter, dessen Bestreben es war, die gesamte Familie Carstensen zu eliminieren? Wie aber war es den Kollegen gelungen, den Mörder zu fassen und diesem anscheinend auch gleich ein Geständnis abzuringen?
      Noch ehe er eine der vielen Fragen, die in seinem Kopf umherschwirrten, formulieren konnte, streckte der andere ihm eine Klarsichtfolie entgegen. Die dünne Kunststoffhaut schützte einen Briefbogen, auf dem in sorgfältiger Schrift das Bekenntnis am Mord Kalli Carstensens niedergelegt war.
      Thamsen las die wenigen Zeilen. Sophie Carstensen offenbarte darin, dass sie ihren Mann umgebracht hatte. Nach dem Warum suchte er jedoch vergeblich in der kurzen Nachricht.
      »Woher habt ihr das?«
      Er zweifelte an der Echtheit des Schreibens.
      »Der Sohn hat es uns überreicht. Angeblich hat er das Schreiben gestern neben der Leiche seiner Mutter gefunden.«
      »Und dann rückt er erst heute damit raus?« Ihm erschien die ganze Sache höchst merkwürdig.
      »Wo steckt er?«
      Der Flensburger Kollege deutete ins Haus. Thamsen betrat den düsteren Flur und blieb dort einen kurzen Moment lang stehen. Seine Augen benötigten etwas Zeit, um sich an die düstere Umgebung zu gewöhnen.
      Ulf Carstensen saß mit gesenktem Blick auf dem Sofa im Wohnzimmer. Angestrengt starrte er auf seine Schuhe, sah nicht einmal auf, als Thamsen den Raum betrat.
      »Mein Beileid.«
      Er nahm in dem Sessel Platz, der an der Stirnseite des niedrigen Couchtisches positioniert war, und wartete. Das Schweigen des jungen Mannes dominierte den Raum. Er saß nur da und stierte vor sich hin. Eine Weile betrachtete Thamsen den Sohn des Hauses. Er wirkte erschöpft, so als habe er die letzten Nächte nicht geschlafen. Unter seinen Augen hatten sich dunk le Ringe gebildet, die Haut war blass und wies einen grau-blauen Schimmer auf. Die Kleidung hatte Ulf Carstensen wahrscheinlich auch seit mehreren Tagen nicht gewechselt, vermutlich hatte er sogar in dem zerknitterten karierten Hemd und der angestaubten Jeans geschlafen.
      »Herr Carstensen, woher haben Sie das Geständnis Ihrer Mutter?«
      Der Angesprochene hob langsam den Kopf und blickte ihn mit einem leeren Ausdruck in den Augen an. Er hatte die Frage entweder akustisch nicht verstanden oder wollte sie nicht verstehen, jedenfalls ging er nicht darauf ein. Stattdessen murmelte er:
      »Wieso hat sie das nur getan? Wie konnte sie glauben, dass …« Seine Stimme versagte.
      Thamsen hakte nach. »Meinen Sie den Selbstmord Ihrer Mutter oder dass sie Ihren Vater umgebracht hat?«
      Sein Gegenüber schüttelte energisch den Kopf.
      »Nein, ich meine, dass sie davon ausging, dass ich Papa umgebracht habe.«
      Thamsen blinzelte mehrere Male schnell hintereinander mit den Lidern, so als wolle er sich vergewissern, dass die Situation, in der er sich befand, real war. Oder hatte er sich die Worte, die wenige

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