Friesenschnee
näher zu untersuchen. Ansonsten kam sowieso nur noch ein anderer infrage.«
Noch einer? Genervt fragte er nach. »Um Himmels willen, wer denn noch?«
Ihr Blick wurde stechend. »Ja, wer denn wohl? Du natürlich!«
Zum Glück war das Polster des weißen Ledersessels, in den Stuhr niedersank, angenehm weich. Irritiert fragte er nach. »Aber wir haben uns doch schon seit mehr als sechs Jahren nicht mehr gesehen. Wie soll das denn gehen? An jungfräuliche Geburten vermag ich nicht zu glauben.«
Jetzt wurde ihr Ton schnippisch. »Wieso, was soll daran nicht gehen? Laura wird nächste Woche elf.«
Stuhr ersparte sich die Nachrechnerei, denn die Vorstellung, vielleicht Vater einer Tochter zu sein, die wollte überhaupt nicht in seinen Kopf hinein. »Wo ist deine Tochter denn jetzt?«
Angelikas Ton blieb schnippisch. »In der Schule, wo denn sonst? Es sind eben nicht alle Menschen auf der Welt von Pflichten freigestellt wie du.«
Stuhr hielt dagegen. »Und auch du.« Dennoch war es Stuhr ganz lieb, dass ihm zunächst eine Begegnung mit ihrer Tochter erspart blieb, denn diesen Schock musste er erst einmal verdauen. Natürlich drängten sich ihm sofort einige Fragen auf, aber die musste er in Ruhe überschlafen.
Angelika beugte sich ein wenig vor und öffnete eine Klappe der Schrankwand, hinter der sich offenbar eine Bar verbarg. Ihre gertenschlanke Figur war immer noch tadellos, und er konnte nicht verhehlen, dass er sich nach einer Berührung mit ihr sehnte. Sie reichte ihm ein Cognacglas. »Ich weiß, du trinkst keine harten Sachen, aber du siehst irgendwie aus, als wenn du einen Beruhigungsschnaps vertragen könntest. Weißbier führe ich nicht im Sortiment.«
Stuhr nahm dankend den Schwenker entgegen. »Wir wollen schließlich ja auch nicht tagsüber das Trinken beginnen.« Bereits nach dem ersten Schluck breitete sich wohltuende Wärme in seinem Magen aus. »Ich hätte übrigens auch noch einige Nachfragen.«
Angelika musterte ihn skeptisch, bevor sie sich ebenfalls setzte. »Dann schieß los, Helge. Ich dachte, ich hätte dir bereits alles erzählt.«
»Du meinst, du hattest damals schon das Kind, als wir uns immer wieder in Bonn und auf Föhr getroffen haben? Und musstest Schluss mit mir machen wegen deiner Heirat?«
Angelika begann zu weinen. »Ich wollte dich doch. Das mit meiner Tochter war ein Betriebsunfall. Ich habe versucht, das so weit wie möglich in Bonn zu verheimlichen. Aber irgendwann war eine Heirat unvermeidlich, mein Mann und ich hätten sonst die Ministerien wechseln müssen. Was hättest du denn an meiner Stelle gemacht?«
Ja, wie hätte er an ihrer Stelle reagiert? Am besten überging Stuhr die Frage einfach. »Was ist denn jetzt mit deinem Mann?«
Es war schon erstaunlich, wie Angelika ohne jegliche Gemütsregung antwortete. »Der hat inzwischen unter der Erde seinen Frieden gefunden. Er hat sich das alles zu sehr zu Herzen genommen und ist schließlich im Alkohol ersoffen.«
Stuhrs aufkommendes Mitgefühl war nicht gespielt. »Deine arme Tochter. Das muss ja furchtbar für sie gewesen sein.«
Angelika blieb jedoch kühl. »Sie hat ihn kaum gekannt. Er hat immer nur gearbeitet und war selten einmal zu Hause. Schließlich war es mehr oder weniger eine Scheinehe, die wir geführt haben. Ich habe ihn nicht wirklich geliebt, und er wusste das. Mein Herz hing immer nur an dir. Das Beste an ihm war das Erbe, das er hinterlassen hat. Ein hübsches Sümmchen hatte er zusammengespart. Ich muss jedenfalls nicht mehr arbeiten.«
Wieder musste Stuhr schlucken. Was war das nur ein für berechnendes Monster, das er geliebt hatte? Nein, mit ihr wollte er eigentlich nichts mehr am Hut haben. Er machte seinem Unmut Luft. »Das sind ja schöne Sachen, die du mir erzählst, Angelika. Wenn ich das alles gewusst hätte, dann wäre ich sicherlich kaum hergekommen, und ob ich mich seinerzeit auf dich in Bonn eingelassen hätte, da wäre ich mir unsicher. Ich denke, ich werde mich lieber gleich wieder auf den Weg machen. Kann ich noch irgendetwas für dich tun?«
Angelika lächelte ihn entwaffnend an. »Wenn du mich schon so fragst, Helge. Sicher. Mich heiraten. Nichts weiter.«
Stuhr fühlte sich von Angelika völlig überrumpelt. Ungläubig blickte er ihr fest in die Augen. Unweigerlich musste er dabei an Jenny denken, die er doch liebte und die ihm vertraute. Hastig leerte er das Cognacglas und stand auf. »Es tut mir leid, Angelika, aber ich bin nicht ganz ungebunden. Ich kann dich nicht
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