Friesenschnee
los. Was ist denn passiert?«
Aufgeregt schilderte Lollo die Ereignisse der letzten Tage und Stunden. Tatsächlich führte die Polizei Razzien bei seinen Kunden durch. Ohmsen berichtete seinerseits von seinem Verdacht gegen Pimmel. Lollo wirkte ziemlich schockiert. Dann überreichte ihm Lollo den Schlüssel von dem alten Transit. »Wenn du Pimmel zu fassen bekommst, wirst du den da möglicherweise brauchen.«
Nachdem Ohmsen seinen Kaffee geleert hatte, ließ er Lollo stehen und begab sich zur Werkstatt, in der ein hagerer Bursche in einem Blaumann an einem Reifen hantierte.
»Moin, Chef. Ich suche einen fahrbaren Untersatz. Irgendetwas auf Lager?«
Anstelle einer Antwort wurde er zunächst von oben bis unten gemustert. »Sportwagen habe ich nicht anzubieten, aber wenn es nur von A nach B gehen soll, dann hätte ich vielleicht etwas Passendes. Kommen Sie mal mit.«
Ohmsen folgte dem Gesellen zu einem kleinen Nebenraum, in dem ein Motorroller auf seinem Ständer aufgebockt stand. »Die Vespa ist ein Liebhaberstück. Optisch ein wenig verhurt, aber technisch 1a. Die Mühle kostet nur sechs Scheine. Barzahlung, ohne Quittung selbstverständlich. Und mein Chef darf natürlich keinen Wind davon bekommen.«
»Papiere?«
Der Geselle ging an seinen Spind und fingerte aus dem oberen Fach ein Nummernschild und einen Fahrzeugbrief hervor, der jetzt mit den öligen Fingerabdrücken des Gesellen verziert war. »Die kosten vier Scheine extra. Sie sind schließlich echt.«
Ein stolzer Preis für die alte Mähre, doch was blieb Ohmsen übrig, als in die Tasche zu greifen und 1.000Euro von seinem Geldbündel abzuzählen. Der Geselle kniete sich nieder, um das Nummernschild anzubringen, und anschließend wechselte der Fahrzeugschein den Besitzer. Dann wies der Geselle auf zwei Uralthelme ohne Kinnschutz. »Ohne die würde ich nicht auf die Kiste steigen.«
Ohmsen war genervt. »Wieviel?«
Der Geselle hob Zeige- und Mittelfinger, und nachdem er die zweihundert Euro eingestrichen hatte, wies er ihn kurz in die Funktionen der Vespa ein. Anschließend bremste Ohmsen mit quietschenden Reifen vor dem Eingang der Tanke.
Lollo bemerkte ihn jedoch nicht, weil er gerade versuchte, einen jüngeren Kunden mit blondem Haarschopf anzusprechen, der mit hohem Tempo aus der Tankstelle spurtete. »Bleib doch, Olli. Trink einen Kaffee mit uns. Was ist denn mit dir?«
Es war in der Tat der Olli aus dem Tanzcafé, der richtig Fersengeld gab. Da stimmte etwas nicht. Hatte Olli sie bei der Polizei verpfiffen? Oder machte er jetzt gemeinsame Sache mit Pimmel? Was hatte er zu verbergen?
Ohmsen überlegte kurz, ob er ihn mit dem Roller stellen sollte. Aber eine Verfolgungsjagd auf dem belebten Knooper Weg war ausgeschlossen. Nein, er würde diesen Olli heute laufen lassen müssen.
Wenn er an Pimmel und sein Geld herankommen wollte, dann musste er sich jetzt auf der Stelle auf den Weg zum Präsi machen. »Wir machen eine Biege, Lollo.«
Lollo zog nicht die glücklichste Miene, als er auf den Soziussitz steigen musste.
Natürlich gab es schönere Arten, transportiert zu werden, doch für Ohmsen war es auch nicht angenehm, Lollos Geschlecht am Po zu spüren. Zudem hatte Lollo die unangenehme Eigenart, sich nicht mit in die Kurven zu legen, sondern sich aufrecht dagegenzustemmen.
Mehrfach kamen sie dadurch ins Schlingern, und in Rendsburg hatte Ohmsen endgültig die Nase voll. Er steuerte das Gefährt zum Bahnhof und drückte dort dem verdutzten Lollo einen Hunderter für die Fahrt mit der Bahn nach Hamburg in die Hand. Dann ließ er ihn zurück und jagte weiter nach Dagebüll. Ohmsen hatte gehofft, spätestens auf der Fähre den Theaterbus zu erspähen, aber Pimmel musste es eine Abfahrt eher geschafft haben.
Auf der Insel knatterte Ohmsen direkt zur Lembecksburg. Er stoppte den Roller hinter dem verdreckten Theaterbus, der vor dem Ringwall abgestellt war. Zufrieden bockte er den Roller auf. Sein Instinkt hatte ihn wieder einmal nicht im Stich gelassen. Nachdem er das Fahrzeug einmal vorsichtig umrundet hatte, öffnete er die Fahrertür und bestieg den verwaisten Bus.
In diesem Moment torkelte ein Hualewjonke aus dem Ringwall. »Wie lange muss ich denn noch auf dich warten? Ich liege völlig auf dem Trockenen. Du bist doch Ohmsen, der Oberboss, richtig? Spitzname H 2 O, sagt der Präsi. Ich bin der Doc.«
Hans-Harald Ohmsen ärgerte sich, weil er bereits zu seiner Schulzeit mit diesem Namenskürzel aufgezogen worden war. Doch Verärgerung
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